Zum Hauptinhalt springen

In Europa bereits im Out

Von Engelbert Washietl

Kommentare
Der Autor ist Vorsitzender der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor Wirtschaftsblatt, Presse, und Salzburger Nachrichten.

Auslöser der vorzeitigen Nationalratswahl war ein Streit um die EU. Im Wahlkampf wurde das Thema ignoriert, aber mit dem Wahlergebnis vom Sonntag wird es erst recht akut.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Im kommenden Jahr finden in allen 27 EU-Staaten Wahlen für das Europaparlament statt. Kratzt das in Österreich noch irgendjemanden? Das Europathema ist im Nationalratswahlkampf unter die Räder gekommen, reduziert auf die Negativbotschaft, Brüssel sei gegen die Halbierung der Mehrwertsteuer.

Zu fürchten ist, dass eine künftige Regierung mangels Europa-Kompetenz die Dinge dorthin treiben lässt, wo sie nach Meinung des Herausgebers und der Leserbriefschreiber der "Kronen Zeitung" hingehören: in den Lagerraum für politische Altwaren aller Art.

SPÖ-Chef Werner Faymann ist kein deklarierter Europa-Gegner, hat aber durch seine mit Kanzler Alfred Gusenbauer vollzogene Wendung in der Volksabstimmungs-Frage gezeigt, dass Europa für ihn bloß ein Pfand in seiner Hand ist. Wenn man das Pfand gemeinsam mit einer Massenzeitung einsetzt, kann man einen relativen Wahlerfolg erzielen. Einen Aufstand der österreichischen SPÖ-Abgeordneten im EU-Parlament gegen diesen Laissez-faire-Kurs hat es nicht gegeben.

Unter einem Kanzler Faymann würde das Außenministerium vermutlich nicht mehr durch die Europa-Politikerin Ursula Plassnik geführt werden. Allein ihre Ablöse, die von der "Kronen Zeitung" garantiert bejubelt würde, müsste als signifikante Abwertung der europapolitischen Potenz Österreichs gelten.

Eine mathematisch und politisch mögliche Mitte-Rechts-Koalition unter ÖVP-Führung würde andererseits durch die Präsenz von FPÖ und BZÖ im Regierungslager nur Fragezeichen aufwerfen. Die ÖVP steht für Europa, die beiden anderen Parteien massieren mit Anti-EU-Slogans die Volksseele. Und das Klischee von Nazi-Österreich ist sowieso gleich am Wahlabend in internationalen Medien gespielt worden.

Österreich hat keine guten Karten in Europa, auch wenn EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner eine rundum anerkannt Arbeit leistet. Warum sollte die EU aus dem "Feindesland Österreich" weitere Politiker für Spitzenpositionen wie etwa den EU-Präsidenten holen? Darüber können jetzt auch Alfred Gusenbauer und Wolfgang Schüssel nachdenken.

Für die Wahlen zum Europaparlament ließen sich 2004 gerade noch 42 Prozent der österreichischen Wahlberechtigten mobilisieren. Ein abstruser Wahlkampf um österreichisches Wasser und EU-Spesenritter, der nicht zuletzt durch die "Kronen Zeitung" und ihren Kampfschreiber Hans-Peter Martin entfacht wurde, droht auch 2009. Die Stimmenverteilung auf Österreichs Europa-Parteien ähnelt noch weitgehend den Verhältnissen im vergangenen Nationalrat. In Prozent: 33 SPÖ, 32 ÖVP,

6 FPÖ und 13 Grüne. Dazu kommt allerdings noch der Einzelkämpfer Martin mit 14 Prozent. Die zwei Großparteien müssen fürchten, dass sie 2009 im EU-Parlament dezimiert werden - zugunsten der FPÖ und vielleicht sogar des BZÖ.

Othmar Karas, Anführer des sechsköpfigen österreichischen Klubs in der EVP, zieht nach dem Wahlsonntag eine düstere Europa-Bilanz: "In seiner Gesamtverantwortung gegenüber den Menschen, der Zukunft und Europa steht Österreich schlechter da als vor der Wahl." Es komme jetzt nicht nur darauf an, wer Kanzler wird, sondern vor allem, was im Koalitionsabkommen über Europa stehen wird. Über den SPÖ-Kanzlerkandidaten sagt Karas: "Faymann war in Europa nicht präsent, er ist keine europäische Figur." Er hofft, dass sich die wichtigen Parteien zu einer radikalen Analyse der Ursachen der schlechten Performance Österreichs auf dem EU-Parkett durchringen.