Ökonom Uterwedde über Hollande und das deutsch-französische Verhältnis.
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"Wiener Zeitung": Im französischen Präsidentschaftswahlkampf unterstützt die deutsche Kanzlerin Angela Merkel den Amtsinhaber Nicolas Sarkozy. Die Besuchsanfrage des Sozialisten François Hollande lässt sie unbeantwortet. Wäre ein Präsident Hollande denn ein so schwieriger Partner?Henrik Uterwedde: Die Kassandra-Rufe von Teilen der CDU kann man getrost vergessen. Merkel engagiert sich für Sarkozy, weil sie nach fünf Jahren Kooperation weiß, wie er denkt und handelt, er gehört zur selben Parteienfamilie und ist bei der Haushaltskonsolidierung auf ihrer Linie. Ob ihm ihre Wahlkampf-Hilfe in Frankreich überhaupt nutzt, ist fraglich. Die Sozialisten und auch die Medien stellen Sarkozy als Merkels "Bettvorleger" hin, der nicht mehr auf Augenhöhe sei. Als Oppositionspolitiker muss Hollande sagen, dass er Frankreichs Interessen selbstbewusster vertreten würde.
Er will den europäischen Fiskalpakt neu verhandeln.
Auch, weil Sarkozy ihn mit ausgehandelt hat. Der Ruf nach mehr Wachstumsimpulsen und einer aktiveren Rolle der EZB ist in Frankreich Konsens und nicht Hollande-spezifisch. Aber wenn er gewinnt, wird er natürlich eng mit Merkel zusammenarbeiten. In der deutsch-französischen Kooperation spielt Parteipolitik kaum eine Rolle. Vom Naturell her ist er ihr viel ähnlicher als Sarkozy: bedächtig und pragmatisch. Übrigens will auch Hollande die Defizite zurückführen und für eine vernünftige Balance zwischen Budgetdisziplin und Anreizen für Wachstum sorgen.
Die Konservativen nennen ihn lax und unverantwortlich, weil er 60.000 Stellen im Bildungsbereich schaffen und die Pensionsreform teilweise rückgängig machen will.
Wie er die neuen Jobs finanzieren will, ist unklar. Man muss aber zwischen Wahlkampf und Regieren unterscheiden. Das Pensionsantrittsalter will Hollande nur für jene wieder von 62 auf 60 Jahre senken, die sehr früh ins Berufsleben eingestiegen sind und 41 Jahre lang eingezahlt haben. Das sind natürlich auch Symbolmaßnahmen für linke Wähler.
Beide Kandidaten haben wohl noch zu zurückhaltende Sparpläne. Aber angesichts Sarkozys Zickzack-Kurs seit 2007 und wie er die Schulden in die Höhe getrieben hat, ist nicht Hollande der Unseriöse. Sarkozy machte Klientelpolitik zugunsten der Besserverdienenden, das will Hollande nun korrigieren: Er will Reiche und größere Firmen stärker besteuern. Sein Mix aus Sparen, Anreizen und sozial gerechterer Umverteilung wirkt überzeugend.
Ist Hollandes Sieg wahrscheinlich?
Ja, denn in Frankreich herrscht Wechselstimmung. Nie waren die Chancen auf einen Machtwechsel so groß. Sarkozys Glaubwürdigkeit hat unter seiner Sprunghaftigkeit gelitten. Hollande wird ernstgenommen, sein bodenständiges Programm enthält kaum illusionäre Wahlversprechen.
Zur Person
Henrik Uterwedde ist Ökonom und stellvertretender Direktor am Deutsch-Französischen Institut in Ludwigsburg.