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Das Rennen in dem südlichen Bundesstaat ist eng - nichts Geringeres als die Mehrheit im Kongress steht auf dem Spiel.
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Es ist ein Bundesstaat mit knapp zehn Millionen Einwohnern, der bei der Senatswahl das letzte Wort haben wird. Georgia wählt am 5. Jänner zwei Senatoren. Und es ist diesmal so spannend wie noch nie - und dies nicht nur, weil ein Telefon-Mitschnitt, auf dem zu hören ist, wie Donald Trump den obersten Wahlaufseher in dem südlichen Bundesstaat auffordert, seine dortige Wahlniederlage gegen den Demokraten Joe Biden ungeschehen zu machen, am Wochenende um die Welt gegangen ist.
Einerseits werden, wie erwähnt, zwei Posten besetzt. Dank eines Staffelsystems werden alle zwei Jahre ein Drittel der jeweils auf sechs Jahre gewählten Senatoren neu gewählt - also im Normalfall maximal ein Vertreter pro Wahlperiode. Aber in Georgia ist es diesmal anders. Denn vergangenes Jahr musste ein republikanischer Senator aus gesundheitlichen Gründen frühzeitig sein Amt niederlegen, und der Gouverneur nominierte die konservative Geschäftsfrau Kelly Loeffler für den Posten nach. Diese muss sich jetzt erstmals vor Wählern verantworten. Gleichzeitig versucht der republikanische Senator David Perdue - dieser ganz turnusmäßig -, nach sechs Jahren seinen Sitz zu verteidigen.
Normalerweise würden Senatswahlen in Georgia kaum jemanden hinter dem Ofen hervorlocken. Denn der einstige Konföderiertenstaat wählt traditionell konservativ. Seit zwanzig Jahren wurde vom sogenannten Pfirsich-Staat, der geografisch zwischen anderen stockkonservativen Staaten - South Carolina, Alabama, Tennessee und Florida - liegt, kein Demokrat mehr in den Senat entsendet.
Viele Wähler wurden erstmals registriert
Doch dieses Jahr könnte auch das anders sein. Ansonsten dominiert die weiße Bevölkerung - die in Georgia rund 60 Prozent der Einwohner ausmacht - den Wahlausgang. Aber heuer hat sich die afroamerikanische Politikerin Stacey Abrams der Wählerregistrierung in dem Bezirk mit Leib und Seele verschrieben. Rund 800.000 Bürger - mehrheitlich aus ethnischen Minderheiten - wurden so erstmals registriert. Und damit gelang Abrams, die buchstäblich von Tür zu Tür ging, das Kunststück, mit dem niemand gerechnet hatte: Georgia stimmte, knapp aber doch, bei den Präsidentenwahlen für den Demokraten Joe Biden.
Fraglich ist nur, ob die frisch registrierten Wähler auch zu dem Senatsvotum strömen werden. Allerdings scheinen schon mehr als zwei Millionen Bürger Georgias von ihrem Wahlrecht per Briefwahl und ähnlichem Gebrauch gemacht zu haben. Es wird also auch hier mit einer höheren Wahlbeteiligung als sonst gerechnet. Und so könnte das politische Schicksal der gesamten USA mit allen 50 Bundesstaaten und Washington DC maßgeblich beeinflusst werden.
Denn an diesen zwei Senatorensitzen hängt die Mehrheitsverteilung im Senat. Sollten die Republikaner ein Mandat oder gar beide Sitze verteidigen, so bleibt der Senat in der Hand einer republikanischen Mehrheit - mit dem Mehrheitsführer Mitch McConnell inklusive. Das bedeutet auf jeden Fall zwei Jahre Opposition mit Zähnen und Klauen. Denn bekanntlich haben sich die Republikaner äußerst schwergetan, den Wahlsieg von Joe Biden anzuerkennen, und gemeinsame Linien zwischen den beiden Parteien existieren eigentlich nur noch in der Vergangenheit.
Sollte allerdings das demokratische Wunder der Präsidentenwahlen sich nun am 5. Jänner in Georgia wiederholen, sprich, dass sich beide Demokraten durchsetzen, so kommt es im Senat zu einer Pattstellung. Dann stehen sich 50 Republikaner und 50 Demokraten (genau genommen 48 Demokraten und zwei Unabhängige - Bernie Sanders aus Vermont, und Angus King aus Maine) gegenüber.
Eine solche Pattstellung gab es schon eine Zwei-Jahres-Periode lang unter George W. Bush - aber dieses Patt ist immer zum Vorteil des Amtsinhabers. Denn dessen Vize - in dem Fall ist der Vize eine Frau - hat bei einem Unentschieden das letzte Wort. Die designierte demokratische Vizepräsidentin Kamala Harris würde dann wohl ihre Stimme im Sinne von Joe Biden und der Demokratischen Partei abgeben. Gehören das Weiße Haus und beide Kammern im Kongress ein und derselben Partei, regiert es sich natürlich leichter - und es würde schneller gehen, diverse Maßnahmen in diesen Krisenzeiten umzusetzen.
Trotzdem: Zwei Sitze für die Demokraten klingt schon nach viel. Aber gerade die Corona-Krise hat das ihre dazu beigetragen, dass sich just die beiden amtierenden Senatoren in Georgia nicht unbedingt rasender Beliebtheit erfreuen. Denn beide waren in den Skandal um Aktienkäufe im Februar verwickelt, als - vor allem republikanische - Politiker mit privilegierten Informationen Kasse am Markt gemacht haben. Zu einer Zeit, als die offizielle republikanische Parteilinie noch lautete, das Virus kleinzureden, war Noch-Amtsinhaber Präsident Donald Trump später damit begründete, er wollte keine Panik verbreiten, kauften die Politiker gezielt Aktien von Unternehmen, die in Gesundheitskrisen relevant sind. Gleichzeitig verkauften sie Papiere, die von dem für sie vorhersehbaren Crash am Aktienmarkt beeinträchtigt worden wären.
Loeffler und Perdue machten Covid-Infos zu Gewinn
Das hat nicht nur etwas mit einem Riecher zu tun, sondern mit der Tatsache, dass am 24. Jänner 2020 das Komitee für Gesundheit und Auslandsbeziehungen die Senatoren zu der Covid-19-Situation hinter verschlossenen Türen gebrieft hatte. Kelly Loeffler, übrigens das reichste Mitglied des Senats, und ihr Ehemann, der Vorsitzende der New Yorker Börse, verkauften daraufhin in 27 Transaktionen Aktien im Wert zwischen einer und drei Millionen Dollar - und kauften Aktien bei einem Software-Unternehmen zu, dass den Crash unbeschadet überstand.
Der Senator David Perdue hat das geheime Covid-Meeting ebenfalls genutzt: Er tätigte 112 Transaktionen, verkaufte Aktien im Wert von rund 800.000 Dollar und kaufte andere im Wert von knapp zwei Millionen Dollar zu. Dazu gehört etwa auch der Einstieg in einem Unternehmen namens DuPont, das Schutzkleidung herstellt. In der sozusagen regulären Wahl tritt Senator Perdue nun gegen den jungen demokratischen Herausforderer Jon Ossoff an. In der vorgezogenen Wahl will sich Loeffler gegen den demokratischen Reverend Raphael Warnock verteidigen. Das Rennen scheint in beiden Fällen knapp zu werden. Die Website www.fivethirtyeight.com hat beim Duell Perdue gegen Ossoff für den konservativen Amtsinhaber einen Vorsprung von nur 0,4 Prozentpunkten errechnet. Bei Loeffler gegen Warnock scheint es genau umgekehrt zu sein: Da wird dem Demokraten ein Vorsprung von 0,5 Prozentpunkten prognostiziert. Beides sind nur hauchdünne Mehrheiten - alles scheint weiterhin möglich.
Loeffler, die 2019 bei ihrer Antrittsrede gesagt hatte, sie sei "pro Waffen, pro Militär, pro Mauer und pro Trump", versuchte, den Reverend Warnock in der Zwischenzeit ins linksextreme Eck zu bugsieren. Dieser hatte sich nämlich unter anderem mit Brandreden gegen Polizeigewalt an Schwarzen einen Namen gemacht. Der Satz "Niemand kann gleichzeitig Gott und dem Militär dienen" wird ihm noch heute von Loeffler vorgeworfen, die sagt: "Unsere Gegner sind Radikale, die unsere Wirtschaft in den Lockdown schicken wollen, die Polizei finanziell aushungern wollen und die Steuern erhöhen werden."
Das hat inzwischen andere afroamerikanische Pastoren in Georgia auf den Plan gerufen, die sich in einem gemeinsamen Brief dagegen verwehren, dass Loeffler Warnock einen "Sozialisten" oder einen "Radikalen" nenne: "Wir sehen diese Attacken gegen Warnock als Attacken gegen die afroamerikanische Glaubensgemeinschaft als solche." Warnock kritisierte Loeffler für ihre Aktiengeschäfte und ebenfalls dafür, dass sie Trump dabei unterstützen wollte, das Wahlergebnis der Präsidentschaftswahlen in Georgia zu annullieren. Er hat übrigens die Kanzel in der Ebenezer Baptisten Kirche inne, an der schon Martin Luther King seine politische Karriere begonnen hatte.
Auch der erst 33-jährige Demokrat Jon Ossoff hat starke Verbindungen zur afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Er durfte schon als Teenager im Stab der Bürgerrechtsikone John Lewis mitarbeiten. Lewis, der erst 2020 verstorben ist, hat Ossoff stets offiziell seinen Segen gegeben. Das ist in Georgia unter den afroamerikanischen Wählern mehr als Gold wert.