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Mehr Kultureinrichtungen als in Berlin gibt es nirgends in Deutschland. Doch in einem Punkt schlägt Hamburg die Hauptstadt, was die Zahl der Theater anlangt.
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Verwirrung der Triebe, Liebe, Rache, Inzest, Hass und unvergängliche Schuld - eine Familientragödie, die, obgleich im Jahr 1931 geschrieben, nach wie vor als Meisterwerk des amerikanischen Dramas gilt: "Trauer muss Elektra tragen" von Eugene ONeill. Fünf Jahre nach Entstehung des Stücks erhielt der Schwiegervater Charly Chaplins den Literaturnobelpreis für "die Kraft, die Aufrichtigkeit und die tiefen Emotionen seines dramatischen Werks, die ein ursprüngliches Konzept von Tragödie verkörpern".
Überzeugen kann man sich davon heute im Ernst-Deutsch-Theater im ehemaligen UfA-Filmpalast auf der Uhlenhorst. Deutschlands größtes Privattheater wurde 1973 nach dem großen österreichischen Mimen benannt.
Wer leichtere Kost bevorzugt und dennoch was für seine Bildung tun will, kann einen Steinwurf weiter im English Theatre seine Sprachkenntnisse und seine Lachmuskeln trainieren bei der Erfolgskomödie "Birthday Suite".
Hamburg hat 40 Theater-Spielstätten - von der kleinen Privatbühne bis zum größten Sprechtheater Deutschlands. Ebenso vielfältig ist der Spielplan:
Das Angebot reicht von der Komödie über Kabarett, Laienspiel und Kleinkunst, vom Klassiker bis zur Avantgarde. Jeden Abend stehen rund 15.000 Plätze für Theaterfans zur Verfügung.
Die berühmtesten Häuser sind das Deutsche Schauspielhaus, das Thalia Theater und das schon erwähnte Ernst-Deutsch-Theater. Sie bieten vornehmlich Klassiker und modernes Theater von Rang.
In leuchtend weißem Ringstraßen-Barock erstrahlt das mit 1200 Sitzplätzen größte "Deutsche Schauspielhaus". Erbaut wurde es auf Privatinitiative Hamburger Bürger vom Wiener Architektenduo Ferdinand Fellner und Hermann Helmer und eröffnet im September 1900.
Auch der erste Intendant des Hauses kam aus Wien, Alfred Freiherr von Berger. Er baute das Repertoire auf die deutsche Klassik, auf Hebbel und vor allem auf Shakespeare auf. Eine Tradition, die bis heute nachhallt. Sie können beispielsweise heute, Samstag, zwischen "Hamlet" (19 Uhr) und "Romeo und Julia" (20 Uhr) wählen.
Seine hohe Zeit erlebte das Schauspielhaus unter Gustav Gründgens in den Fünfziger- und Sechzigerjahren ("Hamburger Faust"); den größten Theaterskandal unter Ivan Nagel, als dieser 1976 Zadeks "Othello"-Inszenierung auf die Bühne brachte. Das konservative Hamburger Theaterpublikum wollte den Sprung Zadeks in die Moderne nicht mitmachen. Doch mit Regisseuren wie Luc Bondy, Peymann und Jérome Savary öffnete sich das Haus allmählich neuen Theaterformen und einem jüngeren Publikum.
Der auch in Wien unvergessene Boy Gobert versuchte Gleiches am traditionsreichen Thalia-Theater (gegründet 1842) mit Zadek, Neuenfels oder Flimm. Heute gibt Peymanns Berliner Ensemble dort den "Nathan". Darüber hinaus bietet das Theater allein heute drei weitere Aufführungen: "Black Tie", "Weltreise ohne Pass" und "The Shipment" (Gastspiel aus New York).
Der Boulevard findet breiten Raum im Winterhuder Fährhaus, im St. Pauli Theater oder im bekannten Ohnsorg Theater, wo man noch plattdeutsch spricht. Mit Avantgarde und Tanztheater wurde die Bühne in der Kampnagel-Fabrik bekannt.
Auch kleine Bühnen wie das Kellertheater, das Theater in der Washingtonallee oder das Monsun Theater erweitern das Angebot.
Jährlich über 1,2 Millionen Zuschauer begrüßen die sieben Theater auf der Kulturmeile Reeperbahn. Bereits in den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts strahlten dort nicht nur das Rotlicht, sondern auch die Bühnenscheinwerfer von über dreißig Theatern.