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Die "internationale Bachakademie" in Stuttgart hat zum Jahr 2000 drei Komponisten und eine Komponistin mit Vertonungen der biblischen Passionsberichte beauftragt. Die Uraufführungen dieser neuen Matthäus-, Markus-, Lukas- und Johannespassionen finden derzeit in der Stuttgarter Liederhalle statt und werden jeweils von 3sat live unter dem Titel "Passion 2000" übertragen.
Am Dienstagabend war die Markuspassion des lateinamerikanischen Komponisten Osvaldo Golijov an der Reihe. Dass dieses Werk der abendländischen Passions-Tradition nicht verpflichtet ist, sprang unmittelbar ins Auge, denn die venezuelanischen Musiker traten in folkloristisch stilisierten Gewändern auf. Das Ohr bestätigte den optischen Eindruck: Golijov hat eine teils rhythmisch beschwingte, teils liedhaft klagende world music komponiert, die aus afrikanischen Rhythmen und lateinamerikanischen Melodien zusammengesetzt ist. Zu den Musikern gesellten sich an besonders bewegenden Stellen des Geschehens auch Tänzer. Selbst die Kreuzigung wurde von einem schönen jungen Mann mit Lendenschurz und Dornenkrone getanzt.
Die Qualität der Aufführung war unbezweifelbar hoch, die Komposition hingegen hielt sich in heikler Nähe zum Kitsch auf. So jedenfalls erschien es dem Ohr des Rezensenten, dem wahrscheinlich der gewohnte Bachsche Ernst abging. Dem Stuttgarter Uraufführungspublikum schien allerdings nichts zu fehlen: Ovationen für die Musiker und den Komponisten beendeten das Konzert.