Bereits zum vierten Mal in diesem Jahr trifft sich Österreichs Bundeskanzler Kurz mit Russland Präsidenten Putin. Das könnte Kiew verstimmen.
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Wien/St. Petersburg. Manch einer wird sich vielleicht an die Zeit erinnern, als Begegnungen österreichischer Bundeskanzler mit russischen Staatschefs noch etwas Besonderes waren. Besonders in Zeiten massiver Ost-West-Spannungen wie dem Kalten Krieg waren derartige Treffen eine Seltenheit, wurde österreichischen Vertretern nicht allzu oft im Kreml der rote Teppich ausgerollt.
Heuer, im Jahr 2018, ist das anders. Und das, obwohl die Spannungen zwischen Russland und dem Westen in Gestalt der Europäischen Union und der USA konstant hoch sind, obwohl es beiderseitige Sanktionen gibt und die Beziehungen vor allem mancher östlicher EU-Staaten wie Polen und der Länder des Baltikums zu Russland spätestens seit dem Krieg in der Ukraine fast schon feindselig zu nennen sind.
Dennoch scheint zwischen Wien und Moskau, so sieht es wenigstens aus, die Sonne. Die "diplomatische Begegnungsfrequenz", wie es Russland-Experte Gerhard Mangott nennt, ist jedenfalls sehr hoch. Zum bereits vierten Mal in diesem Jahr treffen sich am Mittwoch Bundeskanzler Sebastian Kurz und Russlands Präsident Wladimir Putin. Der unmittelbare Anlass ist ein kultureller: Die beiden Politiker eröffnen die Ausstellung "Kaiserliche Metropolen St.Petersburg - Wien" in der Petersburger Eremitage, eine Werkschau, die an die Ausstellung im Wiener Kunsthistorischen Museum anschließt, die Putin bei seinem Österreich-Besuch im Juni eröffnet hat.
Freilich wäre für die Eröffnung einer solchen Ausstellung die Anwesenheit der Staats- und Regierungsspitzen nicht vonnöten gewesen. Und auch nicht ein "bilateraler Arbeitsbesuch", wie ihn das Bundeskanzleramt nennt. Gegenüber der "Wiener Zeitung" betont man im Kanzleramt, dass es Österreich als EU-Ratsvorsitzendem vor allem darum ginge, Dialogkanäle mit Russland offenzuhalten, um über die Konflikte in Syrien und der Ukraine zu sprechen. Man werde dabei, hieß es, die Linie der EU vertreten und versuchen, sowohl mit Russland als auch mit der Ukraine einen intensiven Kontakt zu pflegen.
Kurz hatte im September, nach der Aufregung rund um die Teilnahme Putins bei der Hochzeit von Außenministerin Karin Kneissl, in Kiew mit Präsident Petro Poroschenko und Außenminister Pawlo Klimkin das Gespräch gesucht - und sich dabei wohl auch unangenehme Fragen seitens der enttäuschten Ukrainer anhören müssen. Österreich hat - oder: hatte - in der Ukraine vor allem in den westlichen, ukrainisch-national ausgerichteten Landesteilen lange Zeit nämlich ein positives Image. Zu Zeiten der k.u.k. Monarchie wurde in damals österreichischen Galizien die ukrainische Sprache und Kultur - auch im Sinne eines "Teile und herrsche"-Prinzips zwischen Ukrainern und Polen - gefördert, während im Zarenreich, zu dem der Großteil der Ukraine zählte, eine starke Russifizierungspolitik verfolgt wurde. In den letzten Jahren gab es für Kiew aber einige kalte Duschen aus Wien. So etwa im Juni 2014, bald nach der Angliederung der Krim an Russland und mitten im beginnenden heißen Krieg in der Ostukraine.
Verklärte Vergangenheit, zwiespältige Gegenwart
Damals wurde Putin, gerade zur Persona non grata in Europa aufgestiegen, in Wien in recht entspannter Stimmung empfangen. Die Kontakte der Freiheitlichen Partei zur russischen Regierungspartei "Einiges Russland" wurden in Kiew ebenso mit Argusaugen verfolgt wie die Einladung Putins zur Hochzeit von Kneissl samt Tanz und Knicks. Auch der Umstand, dass es sich bei dem Treffen Putin-Kurz bereits um das vierte in diesem Jahr handelt, dürfte in Kiew wie in dem ganzen Gürtel russlandkritischer Staaten in Mittelosteuropa nicht gerade die Herzen wärmen. Wie lange Österreich den schwierigen diplomatischen Seiltanz zwischen Moskau und Kiew noch durchhält, ohne vor allem die Ukraine zu vergraulen, ist fraglich.
Dies auch deshalb, weil sich zwischen Wien und Kiew eine weitere atmosphärische Verstimmung in einem sensiblen Bereich anbahnt: Am Montag hatte Wien dem Chefredakteur des oppositionellen ukrainischen Online-Mediums strana.ua, Igor Guschwa, nach eigenen Angaben politisches Asyl gewährt. Konkrete Gründe, die zu seiner Anerkennung als Flüchtling geführt haben, wurden im österreichischen Dokument laut Guschwa keine genannt. Die Kiewer Strafverfolger werfen dem russlandfreundlichen Journalisten Steuerdelikte, den Verrat von Staatsgeheimnissen sowie die Erpressung eines Abgeordneten vor. Guschwa hingegen sieht politische Motive hinter den Anschuldigungen - und sieht sich nun bestätigt. In einem Facebook-Posting spricht er von einem "wichtigen Signal" und davon, dass man in Europa die "Erzählungen über eine noch nie dagewesene Meinungsfreiheit" in der Ukraine nicht mehr glaube. Der Entscheid Österreichs trifft die Ukraine an einem wichtigen und potenziell wunden Punkt: Schließlich hatte man - und hatten auch zahlreiche westliche Experten - seit der Maidan-Revolution 2014 stets betont, dass es in Kiew, anders als im benachbarten Moskau oder Minsk, nach der "Revolution der Würde" keine Repression gebe.
Neben Fragen internationaler Politik könnten zwischen Putin und Kurz aber auch handfeste bilaterale Themen zur Sprache kommen - etwa die drohenden US-Sanktionen gegen europäische Partner der russischen Gazprom beim Pipelineprojekt Nord Stream 2. Einer dieser Partner ist die österreichische OMV.