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Der Weg zum Frieden führt über den Schulhof. In Afghanistan ist der Wiederaufbau des Bildungswesens eine der dringlichsten Aufgaben - da unerlässlich für die wirtschaftliche Stabilisierung des zentralasiatischen Landes. Nach UNESCO-Schätzungen sind knapp die Hälfte der Männer Analphabeten, bei den Frauen sind es sogar 80 Prozent. Damit sich das in der nächsten Generation ändert, hat die afghanische Regierung die mit internationaler Hilfe finanzierte Kampagne "Back to School" (Zurück in die Schule) gestartet, die inzwischen erste Erfolge zeitigt.
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Als Vorzeigeregion gilt Herat im Westen Afghanistans, wo sowohl die islamistische Provinzregierung als auch das Ausland kräftig in den Wiederaufbau des Schulwesens investieren. In Herat gehe inzwischen auch die Mehrheit der Mädchen wieder zur Schule, sagt der stellvertretende Leiter des Schulamtes, Mohammudin Fahim. "Wir haben 180.000 Buben und 140.000 Mädchen an unseren Schulen." Das bedeutet zwar, dass rund 40.000 Mädchen in der Provinz nach wie vor keinerlei Unterricht besuchen, aber Fahim ist optimistisch. "Es werden noch mehr". In der Provinzhauptstadt selbst besuchten mittlerweile 100 Prozent der Grundschüler und -schülerinnen auch tatsächlich den Unterricht.
Die Früchte des Wettbewerbs unter den ausländischen Hilfsorganisationen sind an Ort und Stelle zu besichtigen. An der Sultan High School im Herzen der Stadt hat die US-Regierung ein neues Schulgebäude finanziert, der Iran bezahlte ein zweites, größeres. Die Schulbücher wurden mit Hilfe der Hilfsorganisation USAid verfasst. 6.000 Jugendliche im Alter von 7 bis 18 Jahren besuchen die weiterführende Schule. Unterrichtet werden sie von 120 Lehrern und Lehrerinnen - letztere ausschließlich in den unteren Klassen eins bis sechs. "Schulbesuch und Schulbücher sind umsonst", sagt Fahim. Nur Stifte und Schreibhefte müssten die Eltern der Schüler selbst bezahlen.
Den älteren Schülern an der Sultan High School ist die Bedeutung einer guten Ausbildung sehr bewusst. "Wir wollen alle zur Universität gehen", sagt der 18 Jahre alte Omid Kaihan. Nur Kinder aus reichen Familien müssten nicht so fleißig studieren, meint er. "Die können nach dem Schulabschluss direkt ins Geschäftsleben einsteigen." Für die große Mehrheit der Kinder aus ärmeren Familien sei Lernen die einzige Möglichkeit, später einmal eine gute Stellung zu bekommen. "Wenn man sich nicht anstrengt, hat man ein Problem."
Doch auch mit guter Ausbildung seien attraktive Positionen rar, sagt Omid. Beliebt sei eine Tätigkeit bei den internationalen Hilfsorganisationen, weil diese relativ gute Gehälter zahlten. "Dafür muss man aber Englisch sprechen und mit Computern umgehen können."
Omid und seine Klassenkameraden sind mit ihren neuen Schulgebäuden privilegiert. Der Wiederaufbau des Schulwesens ist in Afghanistan oft wörtlich zu nehmen. Nach Schätzungen der afghanischen Regierung wurden mehr als 70 Prozent der afghanischen Schulen im Krieg zerstört. Für viele Kinder ist das Klassenzimmer ein Zelt der UNESCO, der Bildungsorganisation der Vereinten Nationen. Und viele andere können nach wie vor überhaupt nicht zur Schule gehen, weil es neben Schulgebäuden auch an Lehrern fehlt.
Im vergangenen Jahr waren es landesweit vermutlich etwa 1,5 Millionen Kinder, die keine Schule besuchten. "In Herat haben wir im vergangenen Jahr viele Absolventen der weiterführenden Schulen als Lehrer eingestellt, weil wir zu wenige hatten", sagt Fahim.