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In Israel schrillen die Alarmglocken

Von Arian Faal

Politik

Öffentlicher Eklat Netanyahu - Kerry konnte knapp verhindert werden.


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Genf/Teheran/Wien. "Es tut sich etwas, alle sind euphorisch und jeder tut sein Bestes, damit etwas weitergeht. Wenn Sie sich hier umsehen, spüren sie den Druck, der auf allen lastet. Jeder weiß, dass es in dem Atomkonflikt mit dem Iran seit zehn Jahren ständig nur Augenauswischerei und ein Weiterwursteln gab. Diesmal liegt eine Übereinkunft, bei der beide Seiten ihr Gesicht wahren können in greifbarer Nähe", resümierte ein westlicher Diplomat, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". In der Tat war die Stimmung bei den Atomgesprächen zwischen dem Iran und dem Westen am Freitag in Genf so gut wie selten zuvor.

Die Möglichkeit eines Teilabkommens im Streit rund um die umstrittene iranische Urananreicherung treibt Israel allerdings auf die Barrikaden. In Tel Aviv ist man überzeugt, dass der Iran am Bau einer Atombombe arbeitet und Israel von der Landkarte tilgen will. Premier Benjamin Netanyahu denkt deshalb nicht daran, eine etwaige Kompromisslösung anzuerkennen. "Wir lehnen eine Vereinbarung vollkommen ab", meint er zu dem jüngsten Tauwetter im Konflikt.

Zerwürfnis am Airport

Die Tragweite der Angelegenheit zeigte sich zuvor bei einem Blitzbesuch des US-Außenministers John Kerry auf dem Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv. Dort soll es zu einer heftigen verbalen Auseinandersetzung zwischen Kerry und Netanyahu gekommen sein. Ein gemeinsamer Presseauftritt wurde sogar kurzfristig abgesagt, um einen öffentlichen Streit zu vermeiden, schrieb die israelische Tageszeitung "Haaretz". Kerry wiederum quittierte die Haltung Israels mit einer ungewöhnlich scharfen Kritik an der Siedlungspolitik. Letztere lasse an der Ernsthaftigkeit Israels zweifeln, so der Seitenhieb des US-Chefdiplomaten.

Dennoch ließ es sich der israelische Politiker nicht nehmen, seinen Unmut öffentlich kundzutun. "Israel ist an diese Übereinkunft nicht gebunden und wird alles tun, was zu seiner Verteidigung und der Sicherheit seiner Bevölkerung nötig ist", warnte er.

"Fassungslos"

Bereits in der Vergangenheit hatten israelische Politiker direkt und indirekt mit einem militärischen Präventivschlag gegen die Nuklearanlagen des Iran gedroht. "Ich bin völlig fassungslos. Das ist ein monumentaler Fehler", schimpfte Netanyahu. "Für den Iran ist es der Deal des Jahrhunderts, weil er nichts gibt und den ganzen Druck aus dem Dampfdruckkocher der Sanktionen herausbekommt." Teheran werde dafür bestenfalls einige Tage auf die Anreicherung verzichten müssen. "Die Sanktionen werden aufgehoben und der Iran hat nichts gegeben", kritisierte Netanyahu die in Genf verhandelten Vorschläge. Kerry ignorierte diese Stellungnahme und hielt fest, dass er "alles daransetzen wolle, um eine Lösung im Konflikt herbeizuführen". Von Bedeutung ist dies, da damit im Zusammenhang auch eine für den Iran relevante erste Lockerung der internationalen Wirtschaftssanktionen stehen könnte. Zwar nur für sechs Monate und jederzeit widerrufbar, aber immerhin ein Anfang.

Die fünf UN-Vetomächte und Deutschland reagierten weitgehend positiv auf den iranischen Vorschlag, dem Westen bei den Kontrollen und dem Anreicherungsgrad der Urangewinnung entgegenkommen zu wollen. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton, der nachgesagt wird, dass sie mit dem neuen iranischen Chefunterhändler, Außenminister Mohammad Javad Zarif, sehr gut kann, sah die Verhandlungen am Donnerstag als positiv und effizient. In einer Blitzaktion bat sie US-Außenminister Kerry, seine Nahosttour zu unterbrechen und sofort nach Genf zu eilen. Der US-Chefdiplomat sollte bei einer möglichen schriftlichen Übereinkunft beratend zur Seite zu stehen. Als klar wurde, dass erstmals eine Lösung greifbar war, machten sich auch der französische Außenminister Laurent Fabius, sein deutscher und sein britischer Kollege, Guido Westerwelle und William Hague am Freitag auf den Weg nach Genf. Im Verlauf der Gespräche zeigte sich aber, dass es immer noch Differenzen gab. Kerry sprach von "Meinungsunterschieden, die noch überwunden" werden müssten. Der iranische Vizeaußenminister Abbas Araqchi sprach von einer "delikaten Phase", in der sich die Gespräche befänden. Das Abkommen könne nach den Gesprächen aber verabschiedet werden, so der Iraner.

Der Außenministerreigen in Genf ließ sich vorerst darüber informieren, was die einzelnen Teilexpertengruppen ausverhandelt hatten. Das iranische Expertenteam unter der Leitung Abbas Araqchis tüftelte zu diesem Zeitpunkt bereits an einem Textentwurf für eine erste schriftliche Übereinkunft. Er betonte, dass man dabei sei, einen Textentwurf für eine erste Einigung zu erstellen. Wann genau der Entwurf fertig sein werde, stünde aber noch nicht fest, so der Diplomat.

Rückendeckung aus Teheran

Zudem stärkte Irans Oberster Führer Ayatollah Ali Khamenei erneut den iranischen Verhandlern den Rücken. Zarif und sein Team hätten eine schwierige Mission zu bewältigen, die Kraft und den Rückhalt des iranischen Volkes benötigen würden, so Khamenei. Zwischenrufe und Steine in dieser Angelegenheit seien "nicht nützlich".