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Pakt mit Teufel - nicht die einzige Option für Bersani.
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Rom/Wien. Nach den Parlamentswahlen steuert Italien schnurstracks auf die Unregierbarkeit zu. Die Mitte-Links-Allianz von Pier Luigi Bersani hat nur im Abgeordnetenhaus die notwendige Mehrheit, im Senat jedoch nicht. Eine stabile Regierung ist nur möglich, wenn eines der beiden Lager die Mehrheit in beiden Kammern hat. Das Kernproblem ist das starke Abschneiden des Komikers und "Fünf-Sterne"-Parteichefs Beppe Grillo.
Der Newcomer, der selber nicht im Parlament sitzen will, wurde auf Anhieb zur stärksten Partei im Abgeordnetenhaus - das ist vorher noch niemandem gelungen, nicht einmal Silvio Berlusconi. Der clowneske Polit-Anarchist will definitiv mit keinem der großen Lager koalieren, er würde sonst seine Grundüberzeugung - Ablehnung des politischen Systems in Italien - verraten und seine Wähler vor den Kopf stoßen. Grillo hofft jetzt darauf, dass nach langen Verhandlungen und endlosem Taktieren keine stabile Koalition zustande kommt, das Land auch in Wochen nicht regierbar ist und Neuwahlen fällig werden. Beobachter sind sich einig, dass er dann weiter zulegen und endgültig als strahlender Sieger aus dem Votum hervorgehen würde.
Die Hoffnungen Grillos sind wahr geworden. Die Situation ist zumindest auf den ersten Blick verfahren, das Gespenst der Polit-Blockade geht um. Das politische Zentrum um "Sparmeister" Mario Monti, der große europäische Reform-Hoffnungsträger, ist eingebrochen und damit eindeutiger Verlierer der Wahl. Erfolgreicher Verlierer der Wahl ist der bereits totgeglaubte Silvio Berlusconi: Das Polit-Urgestein mit bizarr anmutenden Vorlieben für junge Damen sitzt wieder mit auf dem Tisch, er hat dem Linksbündnis unter Pier Luigi Bersani den Weg an die Macht verstellt. Die Mandatsmehrheit im Senat hat der Mitte-Rechts-Block aber zuletzt doch noch knapp verfehlt - damit wurde Berlusconi um einen wichtigen symbolischen Triumph gebracht. Er kann sich nicht mehr als Teil-Sieger präsentieren. Trotzdem ist Berlusconi - für viele längst der Alptraum schlechthin - wieder im Spiel. Seit zwei Jahrzehnten dominiert der Tycoon die politische Szene Italiens, jetzt bleibt er den Italienern als umstrittenster Nachkriegs-Politiker erhalten.
Angedacht - und verworfen

Bereits in der Wahlnacht war auch im linken Lager zaghaft über ein Bündnis mit den Rechten spekuliert worden, der Gedanke wurde aber schnell wieder verworfen. Am Montag hat Mitte-Links eine derartige Option definitiv ausgeschlossen. Berlusconi, dem die Justiz im Nacken sitzt und der verschiedene Verfahren am Hals hat, will eine solche Koalition, er umwirbt seine Gegner in der Hoffnung, dass sie an ihm nicht vorbeikommen: Angesichts der schwierigen Situation müssten nun beide Seiten "Opfer bringen", so der Cavaliere, er sei zum Deal bereit.
Rasche Neuwahlen wollen weder das Bersani-Lager noch Berlusconi, denn dann würde der Anti-Politiker Grillo als noch strahlenderer Sieger dastehen. Doch bei Kommentatoren und einigen Politikern wird ernsthaft über ein weiteres Votum nach erfolgter Wahlrechtsreform, die stabile Mehrheiten sicherstellen soll, nachgedacht. Freilich nur als allerletzter Ausweg.
Der Ball liegt nun bei Wahlsieger Bersani, der, so kommentieren Pessimisten, zwischen politischer Lähmung und einem Pakt mit dem Teufel - also Berlusconi - wählen kann. Eine Koalition mit dem politischen Zentrum, das vom Wähler grausam abgestraft wurde, reicht für eine Mehrheit im Senat nicht. Zudem ist klar, dass Bersani mit Berlusconi und Grillo zwei unberechenbare Männer im Nacken hat, die auch als Bündnispartner jeden Ansatz einer Reform im Senat niederschmettern können.
Die Lage für Bersani ist aber nicht hoffnungslos. Der Politiker könnte versuchen, sich im Senat Mehrheiten unter den Grillo- und Monti-Leuten zusammenzuklauben. In Sizilien funktioniert das bereits. Grillo selbst will dieses politische Spiel zwar unter keinen Umständen mitspielen, seine Mandatare könnten da aber anders denken. Sie sind stark auf Ökologie und umweltverträgliches Wirtschaftswachstum ausgerichtet, der Kampf gegen die Übermacht der Finanz ist ein großes Anliegen. Viele Grillini denken durchaus in realistischen Kategorien - und könnten letztendlich mit dem Bersani-Lager kooperieren.