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Auswirkung der Georgien-Krise auf Wirtschaft im Osten nicht dauerhaft. | Ende der Finanzmarktkrise erst für die zweite Hälfte 2009 zu erwarten. | "Wiener Zeitung": Osteuropa ist für die Wiener Städtische, oder richtiger die Vienna Insurance Group, wie Ihr Konzern mittlerweile heißt, eine besonders wichtige Region. Befürchten Sie, dass die aktuellen Vorgänge am Kaukasus in einer Zeit, in der die Finanzmärkte ganz generell risikoscheuer geworden sind, atmosphärisch auf die Märkte Osteuropas ausstrahlen könnten?
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Günter Geyer: Georgien ist ein Spezialthema. Dass Russland diese zwei abtrünnigen Provinzen nun auch diplomatisch anerkannt hat, ist eine nicht ganz unerwartete politische Folge der Anerkennung des Kosovos durch die EU.
Auf die wirtschaftliche Entwicklung in den Ländern Ost- und Südosteuropas, in denen wir tätig sind, wird das aber keine nennenswerten Auswirkungen haben. Diese Region hat in den nächsten 15 bis 20 Jahren weiterhin eine sehr, sehr positive Entwicklung vor sich.
Warum spiegelt sich dieses Wachstumsszenario dann nicht deutlicher im Börsenkurs der Vienna Insurance Group wider?
Wir haben im Frühjahr in einem sehr schwierigen Kapitalmarktumfeld sehr erfolgreich eine sehr große Kapitalerhöhung platziert, die dreieinhalbfach gezeichnet war. Aber manche Analysten und Investoren, vor allem wenn sie weiter weg sind, lassen angesichts der aktuellen Situation an den Finanzmärkten eine gewisse Vorsicht walten, die ich auch verstehe. Denn es haben viele Häuser in den vergangenen Monaten ihre Ergebnisziele verfehlt. Das sorgt natürlich für eine gewisse Unsicherheit, man kann auch Misstrauen sagen. Natürlich freut mich der aktuelle Aktienkurs nicht, aber wir werden den Pessimisten mit unseren Ergebnissen sehr deutlich beweisen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Wie lange hält die Krise an den Finanzmärkten noch an?
In den vergangenen Monaten ist die Situation durch die dramatische Ölpreisentwicklung und die damit zusammenhängenden Preisschübe zusätzlich schwieriger geworden. Ich glaube aber, dass Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung nun, wenn auch sehr langsam, Wirkung zeigen.. .
Meinen Sie die Maßnahmen der Europäischen Zentralbank oder jene der SPÖ?
Die der EZB. Ich rechne daher mit einer tendenziellen Beruhigung bei der Zinsentwicklung. Dann wird auch das Wahlergebnis in den USA abzuwarten sein.
Insgesamt glaube ich aber, dass sich die Situation in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres stabilisieren wird. Für unser Haus und für Osteuropa sehe ich die wirtschaftliche Entwicklung mittelfristig weiter ungebrochen positiv.
Ich weiß nicht, wie gut Sie diese Länder kennen und bereist haben.. .
Nicht alle gleich intensiv.
... aber das natürliche Bestreben der Bewohner dort ist, ein bisschen mehr zu verdienen, ein Motorrad zu kaufen; irgendwann ein Auto, eine Wohnung oder ein Haus zu erwerben. Das erzeugt fast automatisch Nachfrage nach Versicherungen. Wenn jetzt am Kapitalmarkt eine Wolke aufgetaucht ist, hat das auf diese grundsätzliche Entwicklung keinerlei dauerhafte Auswirkungen.
Wie demokratisch muss ein Land sein, damit man als österreichischer Versicherungskonzern dort geschäftlich tätig werden kann? Oder anders gefragt: Gibt es einen Grad von politischer Repression, die ein solches Engagement ausschließt?
Wir müssen im Interesse unserer Aktionäre, Mitarbeiter und Kunden handeln. Daher ist für jede Investition sowohl ihre Größe als auch ihr rechtliches Umfeld relevant. In gewissen Ländern gehen wir sehr vorsichtig vor. Aber wenn die wirtschaftlichen Grundvoraussetzungen passen, kann man als Unternehmen und Investor eine Vorreiterrolle haben, die in späterer Folge auch positive Auswirkungen auf die dortige Politik haben kann.
Wie verkraftet oder bewältigt ein Unternehmen von der Größe der Wiener Städtischen eine Expansion wie jene der vergangenen Jahre? Werden da nicht irgendwann die Management ressourcen knapp?
Das ist wahrscheinlich die wichtigste Frage überhaupt. Wir mussten jedenfalls feststellen, dass sich Österreicher nicht unbedingt durch Mobilität auszeichnen.
Wir schreiben für unsere mittlerweile etwa 50 Tochtergesellschaften intern regelmäßig Vorstandsfunktionen aus. Das sind sehr ordentliche bezahlte Funktionen, die auch eine tolle Karrierechance darstellen. Sie würden nicht glauben, wie wenige Mitarbeiter sich dafür melden. Die Zahl ist oft an einer Hand abzählbar.
Ich bin nun zwar schon ein bisschen älter, aber für mich ist das schwer verständlich. Wenn ich in jüngeren Jahren die Chance gehabt hätte, eine solche Aufgabe im Ausland zu übernehmen: Ich hätte sofort laut auf den Tisch geklopft, damit man mich nimmt.
Liegt das möglicherweise daran, dass in der internen Hierarchie eine Funktion in der Konzernzentrale in Wien als einflussreicher oder als besseres Karrieresprungbrett gilt als ein Vorstandsmandat in der polnischen Tochtergesellschaft?
Das glaube ich nicht. Wir pflegen mit unseren Tochtergesellschaften ein sehr partnerschaftliches Verhältnis auf gleicher Augenhöhe. Ich glaube eher, dass die Ursache eine gewisse Bequemlichkeit ist.
Kann ein Teil der Ursache darin liegen, dass es für einen durchschnittlichen österreichischen Mitarbeiter im gehobenen mittleren Management noch eine recht neue Erfahrung ist, in einem größeren internationalen Konzernen tätig zu sein, wo solche Aufgaben bei Auslandstöchtern zum normalen Karriereweg gehören?
Das glaube ich nicht. Denn wenn wir solche Funktionen ausschreiben, dann bewerben sich durchaus Mitarbeiter aus Serbien, Kroatien, Slowenien oder der Slowakei. Und die haben noch weniger Erfahrung mit Konzernkarrieren in der freien Wirtschaft als die Österreicher. Die Ursache ist eine gewisse Bequemlichkeit oder Saturiertheit und dass andere viel, viel hungriger sind, Karriere zu machen.
Ist das nicht ein bedrohliches Zukunftsszenario, das Sie da für Österreich zeichnen, denn mittelfristig werden jene, die hungriger oder aggressiver sind, wohl auch erfolgreicher sein?
Das ist Interpretationssache. Nehmen sie Telekom-Austria-Chef Boris Nemic als Beispiel. Der gilt längst als Österreicher. Geschichtlich gesehen waren wir immer ein Schmelztiegel der Nationalitäten.
Sie kooperieren geschäftlich seit einiger Zeit intensiv mit der Erste Bank und haben kürzlich die S-Versicherung samt Tochtergesellschaften von der Erste Bank erworben. Diese Partnerschaft mit der Erste Bank hat angesichts der historischen Hintergründe der beiden Unternehmen anfänglich gewisse Verblüffung ausgelöst.
Ich fand das nie so verblüffend. Wir haben uns als Unternehmen im Laufe der Jahre sehr gut kennengelernt. Die Sparkassen und unsere Donau Versicherung arbeiten schon seit vielen Jahren zusammen. Und als sich 2003 die Gelegenheit geboten hat, kam es bei voller Wahrung der jeweiligen Unabhängigkeit zur nunmehrigen Partnerschaft zwischen der Erste Bank und unserem Haus.
Natürlich gibt es historisch-politisch unterschiedliche Hintergründe, aber solche Betrachtungsweisen sind heute nicht mehr angebracht. Glauben Sie, einen Tschechen, der bei uns oder der Erste Bank Kunde ist, interessiert es, wie die politischen Zuordnungen österreichischer Unternehmen vor 20 Jahren gesehen wurden?
Die Bank Austria, mit der Ihr Haus viele Jahre geschäftlich eng kooperiert hat, ist in der für Sie besonders wichtigen Region Osteuropa ähnlich stark engagiert wie die Erste Bank. Was macht die Erste Bank anders als die Bank Austria?
Das Verhältnis zur Erste basiert auf großer wechselseitiger Achtung und gemeinsamen Zielsetzungen. Die Zusammenarbeit mit der Bank Austria war über viele Jahre, insbesondere als sie noch die Zentralsparkasse war, gut. Wir waren aber auch Aktionäre der Bank Austria und vertraglich verpflichtet, einen großen Teil dieser Aktien zu halten.
Diese Aktien waren kein erfolgreiches Investment.
Das würde ich ex post unterschreiben. Das war leider so. Durch die Eingliederung der Bank Austria in die HypoVereinsbank wurden diese Aktien in solche der HypoVereinsbank umgetauscht, die dann dramatisch an Wert verloren haben. Aufgrund unserer Vertriebskooperation konnten wir einen Großteil dieser Aktien aber nicht verkaufen. Insgesamt hat unser Haus über 300 Millionen Euro eingebüßt.
Und die Bank Austria hat sich in dieser Phase nicht hilfsbereit gezeigt und war bekanntermaßen nicht bereit, die Vertragsbedingungen für die Städtische zu modifizieren.
So charmant, wie sie das formulieren, gelingt mir das nicht ganz. Das Verhältnis mit der Erste Bank ist jedenfalls eines, das nicht durch irgendwelche historischen Themen beeinflusst, sondern von klarer, offener Zugangsweise auf beiden Seiten geprägt ist - Handschlagqualität eben.
Günter Geyer,wurde 1943 geboren und studierte in Wien Rechtswissenschaften. 1974 trat Geyer in die damalige Wiener Städtische Versicherung ein, für die er bis heute ohne Unterbrechung tätig ist.
1984 wurde er zum Generalsekretär ernannt, 1988 rückte er in den Vorstand auf, 1991 wurde er zum Vize-Generaldirektor bestellt. Außerdem fungierte er längere Zeit hindurch als Vorstand der zum Konzern gehörenden Donau Versicherung und ab 1999 als deren Generaldirektor.
Im Jahr 2001 wurde Geyer Vorstandsvorsitzender der Wiener Städtischen, die nunmehr unter dem Namen Vienna Insurance Group firmiert.

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