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Gewalt gegen Frauen hat in der Türkei noch immer horrende Ausmaße. | Doch auch geringe Repräsentation in der Politik macht Frauenorganisationen zu schaffen.
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Pelda war 22 Jahre alt, als sie mit drei Pistolenschüssen getötet wurde. Der Mörder war ihr Ehemann. Zwei Jahre zuvor wurde das Paar verheiratet, doch es blieb kinderlos. War ein Streit darüber der Grund für den Mord an der jungen Frau?
Manchmal ist es eine kurze Meldung, ein anderes Mal ein großer Bericht, den türkische Medien bringen. Doch sind es keine seltenen Fälle. In der Türkei werden Frauen erschossen, erschlagen, erstochen, in den Selbstmord getrieben. Und das erschreckend oft. Es gibt Schätzungen, wonach jeden Tag fünf Frauen getötet werden. Diese Zahlen sind kaum überprüfbar; die Dunkelziffer könnte noch höher sein.
Doch schon offiziellen Angaben zufolge ist die Gewalt gegen Frauen allein zwischen 2002 und 2009 um mehr als das Zehnfache gestiegen, fast jede zweite Frau in der Türkei ist davon betroffen. Es ist eines der gravierendsten Probleme in dem Land, wie Frauenorganisationen betonen.
Ihr Druck war es auch, der die Politik zum Handeln veranlasst hat: Die Gesetze wurden verschärft, Strafen für Gewalttäter heraufgesetzt, die Berufung auf "die Ehre" als Tatmotiv ist nun kein Strafmilderungsgrund mehr. Und vor einem Monat unterzeichnete die Türkei als eines der ersten Länder eine neue europäische Konvention zum Schutz von Frauen gegen Gewalt.
Doch so wichtig Gesetze auch sind, geht es eben auch um die Umsetzung. Dabei muss sich die Türkei Kritik gefallen lassen, dass der Staat noch immer nicht genug zum Schutz von Frauen tut. Verfahren dauern lange, es kann weiterhin passieren, dass die Polizei erst eingreift, wenn es zu spät ist, und in dem Land mit rund 75 Millionen Einwohnern gibt es lediglich ein paar Dutzend Frauenhäuser.
Das Problem müsse als eines der gesamten Gesellschaft und nicht nur des weiblichen Geschlechts begriffen werden, sagen Frauenorganisationen. Und versuchen weiterhin Druck auf Politiker auszuüben.
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Dazu gehört auch, mehr Frauen in die Politik zu lassen. Doch basiere diese in der Türkei noch immer auf Macht, Gewalt und Diskriminierung, sagt Ezgi Kocak. Sie leitet die Ankara-Sektion von Ka-Der. Seit fast 15 Jahren müht sich dieser Verein um die Repräsentation von Frauen im sozialen und politischen Leben.
Und auch wenn die Türkei früher als so manches westeuropäische Land das Frauenwahlrecht eingeführt hat und schon einmal eine Ministerpräsidentin hatte, sind Frauen in der Politik noch immer eine kleine Minderheit. Nur 9 Prozent der Abgeordneten im Parlament sind Frauen (in Österreich sind es immerhin knapp 30 Prozent). An dieser Quote wird sich auch nach der Parlamentswahl am Sonntag kaum etwas ändern.
Zwar haben mittlerweile alle Parteien das Thema der Gleichberechtigung für sich entdeckt. "Doch sind das nur Deklarationen", erklärt Kocak. "Die meisten Kandidatinnen sind auf den Listen an kaum wählbarer Stelle gereiht." Eine echte Frauenquote hat nur eine Partei: die pro-kurdische BDP. Dort sind 40 Prozent der Kandidaten weiblich. Auf den Listen der größten Oppositionspartei, der linkskonservativen CHP, ist nur ein Fünftel aller Namen weiblich. Die regierende konservative AKP hat lediglich 78 Kandidatinnen aufgestellt - und 472 Männer ins Rennen geschickt. Das ergibt einen Frauenanteil von rund 14 Prozent.
Hinzu kommt die herrschende Ideologie. Frauen, erzählt Kocak, werden in weiten Feldern des gesellschaftlichen Lebens noch immer nicht als eigenständige Personen gesehen, sondern im Kontext von Mutterschaft und Familie. Das allerdings gilt nicht nur für die Türkei.