Zum Hauptinhalt springen

In Mubaraks blutigen Fußstapfen

Von Michael Schmölzer

Analysen

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Der Militärrat hat im Februar die Macht in Ägypten allein mit dem Vorsatz übernommen, einen friedlichen Übergang zur Demokratie zu gewährleisten. Das zumindest behaupteten die Generäle, und viele Ägypter haben es ihnen geglaubt. Doch mittlerweile ist für die Aktivisten offenbar geworden, dass den Offizieren die Demokratiebewegung von Anfang an ein Dorn im Auge war. Die Armee ist bestrebt, die Revolution zu demontieren.

Zum einen wurden Demonstranten praktisch ab Tag eins nach dem Sturz von Diktator Hosni Mubarak festgenommen, in Gruppen vor Militärrichter gestellt und abgeurteilt. 12.000 Aktivisten hat man so aus dem Verkehr gezogen, Männer gefoltert, Frauen demütigenden Jungfernschaft-Tests unterzogen. Die Vorwürfe sind von internationalen Menschenrechtsorganisationen bestätigt worden. Mit dieser Vorgangsweise verbreiten die Militärs Angst und Schrecken, sorgen für Desillusionierung, diese führt zu Apathie. Dazu kommt, dass die Generäle ganz offensichtlich nicht daran interessiert sind, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Man hegt und pflegt anarchische Zustände, um sich umso wirkungsvoller als notwendige Ordnungsmacht in Szene setzen zu können. Zudem werden gezielt Zwietracht gesät, die Spaltung der verschiedenen gesellschaftlichen und vor allem politischen Kräfte gefördert, um eine einheitliche Front, wie sie sich gegen Mubarak bilden konnte, jetzt zu verhindern.

Den demokratischen Wahlen, die am Montag beginnen, trauen die Militärs ebenfalls nicht über den Weg. Deshalb wollen sie sich als "Hüter der Verfassung" etablieren, sich über das Gesetz erheben und der parlamentarischen Kontrolle entziehen.

Ägyptens Demokratie-Aktivisten haben erkennen müssen, dass es ohne eine zweite Revolution nicht gehen wird, dass die Armee vom Verbündeten zum Feind geworden ist. Die blutigen Ausschreitungen von Jänner und Februar noch frisch im Gedächtnis, stemmen sich erneut Tausende auf dem Tahrir-Platz gegen den Machtanspruch der Generäle, die sich strategisch geschickt auf die Seite des Volkes geschlagen haben, nur um ihre Macht umso effektiver zu verteidigen.

Je länger der Konflikt dauert, desto deutlicher treten die Generäle als Mubaraks gelehrige Schüler hervor. So wie der gestürzte Diktator versuchen nun sie, Widerstand zunächst mit blanker Gewalt zu unterdrücken. Wenn das nicht funktioniert, sind sie zu Zugeständnissen bereit, die halbherzig sind, zu spät kommen und in den Augen der Demonstranten viel zu wenig weit gehen. Eine derartige Vorgangsweise führt dazu, dass die gefährliche Lage immer weiter eskaliert.