Immunität künftig auf Landtagsarbeit beschränkt. | SPÖ, Grüne und FPÖ wittern Maulkorb-Erlass. | Wien/St.Pölten. Am Donnerstag wird der niederösterreichische Landtag die Aufhebung der außerberuflichen Immunität der Landtagsabgeordneten beschließen. So will es die mit absoluter Mehrheit ausgestattete ÖVP. SPÖ, FPÖ und Grüne laufen dagegen Sturm und vermuten, mit diesem Beschluss sollen kritische Stimmen mundtot gemacht werden.
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#ÖVP: Absage an
Napalm-Wahlkämpfe
Immun, also geschützt vor gerichtlicher Verfolgung, sollen Landtagsabgeordnete nur noch in Bezug auf Äußerungen im Plenum und in den Ausschüssen selbst sein. Für Aussagen außerhalb dieses Bereiches muss der Mandatar gerade stehen - notfalls auch vor Gericht.
Die ÖVP argumentiert ihre Initiative mit dem Zerfall der politischen Streitkultur und nennt die Vorkommnisse im Nationalratswahlkampf - Stichwort Napalm - als auslösendes Element. Außerdem sollen auf diesem Weg Mandatare wieder einfachen Bürgern gleichgestellt werden, die nicht die Möglichkeit hätten, sich bei unrichtigen Behauptungen oder Beleidigungen hinter dem Schutzschild ihrer parlamentarischen Immunität zu verstecken.
Grundsatzbeschluss, kein Gesetz
Rein rechtlich handelt es sich bei dem Beschluss nicht um eine Gesetzesänderung, sondern um einen Grundsatzbeschluss, einen Mandatar bei einem Verstoß immer auszuliefern, erläutert Karl Lengheimer, Direktor des niederösterreichischen Landtags im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Eine Ausnahme gebe es nur in jenen Fällen, in denen laut Verfassung eine individuelle Befassung des Parlaments notwendig ist.
Berufungsmöglichkeiten gibt es für SPÖ, Grüne und FPÖ keine. Zum einen deshalb, weil sich in der Verfassung keinerlei Kriterien für eine Auslieferung von Mandataren finden. Landtag und Nationalrat sind hier in ihrer Entscheidung völlig autonom.
Der Beschluss ist im Kern eine öffentlich gemachte Selbstverpflichtung der ÖVP, wie in Hinkunft verfahren wird. Schließlich entscheidet sie dank absoluter Mehrheit allein, ob ein Mandatar ausgeliefert wird. Im Grunde genommen hätte das also auch der ÖVP-Klub intern beschließen können, die Konsequenzen wären dieselben.
Nicht berufungsfähig ist der Beschluss auch deshalb, weil kein Mandatar das Recht auf eine bestimmte Entscheidung des Landtags hat. Und die Frage, ob es ein Recht auf ein bestimmtes Verfahren in der Frage der Auslieferung gibt, erledigt sich dadurch, dass es in der Landtagsordnung keine entsprechende Bestimmung gibt.
Berufung nicht
möglich
Übrigens ist die Begrenzung der beruflichen Immunität durchaus ernst zu nehmen, erinnert sich Lengheimer an ein Urteil von vor zwanzig Jahren: Damals hat die ÖVP-Politikerin Marga Hubinek den damaligen FPÖ-Vizekanzler Norbert Steger im Rahmen einer Pressekonferenz im Parlament beleidigt. Der Oberste Gerichtshof entschied, dass hier die berufliche Immunität nicht zur Geltung komme.