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In Österreich dominiert die Skepsis

Von Vilja Schiretz

Politik

Die ÖVP lobt die Einigung der EU-Innenminister zu neuen Asylregeln, Grüne und FPÖ haben massive Bedenken.


Die einen sehen einen "ersten wichtigen Schritt", die anderen einen "historischen Rückschlag für die Menschenrechte". In den Stunden nach der Einigung der EU-Innenminister auf neue Asylregeln haben die österreichischen Parteien Positionen bezogen - und diese fallen denkbar unterschiedlich aus.

Konkret haben sich die Minister in der Nacht auf Freitag darauf geeinigt, dass bei Asylsuchenden, die aufgrund ihres Herkunftslandes nur eine geringe Chance auf Asyl haben, eine Vorprüfung ihrer Anträge an der EU-Außengrenze erfolgen soll. Bis die Prüfung abgeschlossen ist, sollen die Antragsteller an der Grenze festgehalten werden. Außerdem wollen sich die Mitgliedstaaten zu Solidarität mit stark belasteten Ländern an der Außengrenze verpflichten; wer keine Geflüchteten aufnehmen will, soll Ausgleichszahlungen leisten.

In Stein gemeißelt ist all das freilich noch nicht. Bevor das neue Modell tatsächlich umgesetzt werden kann, stehen Verhandlungen im EU-Parlament an. Dabei gilt es, zahlreiche Details zu klären, Änderungen sind nicht auszuschließen.

Karner und Nehammer sehen Teilerfolg

Innenminister Gerhard Karner und Bundeskanzler Karl Nehammer (beide ÖVP) sehen aber schon jetzt zumindest einen Teilerfolg. Mit den Verfahren an den Außengrenzen "wird eine Forderung Österreichs umgesetzt, für die wir auf allen Ebenen gekämpft haben", meinte Nehammer, forderte aber erneut einen stärkeren Außengrenzschutz sowie Asylverfahren in Drittstaaten. Auch Karner sprach von einem "ersten wichtigen Schritt", dem aber weitere folgen müssten.

Weniger Begeisterung gibt es vonseiten der ÖVP für den geplanten Solidaritätsmechanismus. "Mechanismen zur Verteilung von Migrantinnen /Asylwerbern innerhalb der EU sind gescheitert. Österreich setzt daher keine Initiativen in Richtung Verteilungsregeln", heißt es immerhin im türkis-grünen Regierungsprogramm. Auf Nachfrage bestätigt ein Sprecher Karners die ablehnende Haltung zu Verteilungsmechanismen, diese würden in der Praxis nicht funktionieren. Nun gehe es aber um eine "flexible Solidarität" und nicht alleine um die Aufnahme von Geflüchteten. Österreich habe etwa mit der Entsendung von Polizisten an die Außengrenze bereits einen Beitrag geleistet, nun erwarte man Solidarität von anderen Mitgliedsstaaten mit Österreich.

Dass die ÖVP glaube, bilaterale Abkommen wie die "Operation Fox", bei der österreichische Beamte an die ungarische Grenze entsandt wurden, würde bei einem neuen Solidaritätsmechanismus eingerechnet werden, bezeichnet Neos-Asylsprecherin Stephanie Krisper als "sehr mutig". Bisher habe Österreich, anstatt ein solidarisches europäisches Vorgehen einzufordern, mit "falschen Freunden" wie Ungarn oder Griechenland paktiert. "Zu glauben, dass Brüssel für so ein nicht-europäisches Verhalten zahlt, ist hanebüchen", so Krisper.

Abgesehen davon wollen sich die Neos noch nicht im Detail zu der EU-Einigung äußern, zu viele Fragen seien ungeklärt. "Ich harre jetzt der Details und der Diskussion im Parlament", sagt Krisper.

In der SPÖ äußert man sich wiederum vorsichtig optimistisch. Andreas Babler, seit Anfang der Woche Vorsitzender der Sozialdemokraten, sehe die Einigung grundsätzlich positiv, insbesondere die geplante Einführung von Ausgleichszahlungen, heißt es von einer Sprecherin zur "Wiener Zeitung". Allerdings sei die SPÖ klar gegen gefängnisartige Lager an den Außengrenzen.

Doch auch in der SPÖ sieht man noch viele Details offen, etwa welches Asylrecht an den Außengrenzen zur Anwendung kommen soll. Außerdem müssten Familien mit Kindern von der Vorprüfung an der Grenze ausgenommen werden - bisher ist eine solche Ausnahme nur für unbegleitete Minderjährige vorgesehen.

Im einem von den roten Landeshauptmännern Hans Peter Doskozil und Peter Kaiser ausgearbeiteten Positionspapier zum Thema Asyl und Migration, das die SPÖ seither zur Parteilinie erklärt hat, ist übrigens ein Bekenntnis zu "Verfahrenszentren an den EU-Außengrenzen" festgeschrieben. Das Papier müsste überarbeitet und ergänzt werden, betonte Babler zuletzt mehrfach.

"Karner fällt den Österreichern in den Rücken"

Ablehnend zeigen sich hingegen die Grünen. "Es ist ein historischer Rückschlag für Menschenrechte", twitterte Menschenrechtssprecherin Ewa Ernst-Dziedzic. Sie befürchtet "Grenzverfahren ohne Fairness, Masseninhaftierungen von Flüchtenden und die komplette Aufhebung des individuellen Rechts auf Asyl".

Scharfe Warnungen kommen auch von NGOs. "Es drohen gefängnisartige Lager an Außengrenzen", schreibt etwa "Ärzte ohne Grenzen", die Situation von Geflüchteten würde sich dadurch weiter verschärfen. Auch die Diakonie befürchtet "eine Aushöhlung des Rechts auf ein faires Asylverfahren". Die NGO "Asyl in Not" schreibt, die Innenminister hätten "beschlossen, das bereits ausgehöhlte Asylrecht de facto abzuschaffen".

Vehemente Ablehnung kommt auch von der FPÖ, freilich aus anderen Gründen. Karner sei in der Frage der Flüchtlingsverteilung "den Österreichern in den Rücken gefallen", meint Parteichef Herbert Kickl in einer Aussendung. Er befürchtet durch die geplanten Regeln eine Mehrbelastung für Österreich und fordert einmal mehr eine "Festung Österreich".

Harald Vilimsky, FPÖ-Delegationsleiter im EU-Parlament, sah dagegen in den Verfahren an den Außengrenzen "einen Schritt in die richtige Richtung", äußerte allerdings Zweifel, daran, dass die betroffenen Länder die Asylsuchenden tatsächlich an der Weiterreise hindern würden.