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In Putins Händen

Von Michael Schmölzer

Politik

Der Kremlchef will die Nachkriegsordnung für Syrien festlegen. Seine Pläne scheinen aufzugehen.


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Sotschi/Wien. Das Treffen zwischen Syriens Machthaber Bashar al-Assad und Russlands Präsident Wladimir Putin fand im Geheimen statt. Als die Neuigkeit am Dienstag weltweit über die Bildschirme flimmerte, saß Assad nicht mehr in Putins Landhaus, sondern längst wieder in Damaskus. Der Syrer verlässt sein Land so gut wie nie, zuletzt war er im Oktober 2015 in Moskau - kurz, nachdem Russland mit seinem umfassenden militärischen Engagement in Syrien begonnen hatte. Ein Eingreifen, das letztendlich die entscheidende Wende zugunsten Assads brachte.

Das Treffen in Sotschi war der Vorgeschmack auf einen Gipfel, der heute, Mittwoch, über die Bühne geht. Russland, der Iran und die Türkei wollen dabei eine politische Friedenslösung für Syrien ausarbeiten.

Assad sitzt fest im Sattel

Assad, so Putins Botschaft, sitzt fest im Sattel. Und als hätte die Einladung nach Sotschi allein noch nicht gereicht, umarmten Putin und Assad einander demonstrativ. Der Kampf gegen die Terroristen in Syrien laufe hervorragend, so Putin zufrieden. Der "finale, unvermeidbare Sieg" stehe bevor. Nun gehe es darum, politische Prozesse einzuleiten und an einer Friedensordung zu arbeiten. Assad, meinte Putin im Namen seines Schützlings, sei jedenfalls bereit, mit jedem zusammenzuarbeiten, der bereit sei, Frieden aufzubauen.

Putin will eine Art Konvent schaffen, zu dem sich die verschiedenen verfeindeten Gruppen Syriens zusammenfinden. Derzeit ist es noch völlig undenkbar, dass sich Rebellen mit Vertretern Assads an einen Tisch setzen. Und es ist unklar, wie eine politische Lösung aussehen könnte.

Die Rede ist immer wieder von einer Aufteilung Syriens in Interessensgebiete - doch das ist für Sherin Gharib vom Österreichischen Institut für internationale Politik kein realistisches Szenario. "Assad und seine Verbündeten werden so lange kämpfen, bis sie das gesamte syrische Territorium kontrollieren", so Gharib im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Assad habe zwar einen Dialog mit den oppositionellen Rebellen angekündigt, doch das hält die Forscherin nicht für realistisch: Die syrische Opposition werde künftig genauso unterdrückt werden wie vor dem Beginn des Bürgerkrieges 2011.

Im Endeffekt, so Gharib, laufe alles darauf hinaus, das Assad Herr über ein völlig zerstörtes Land werde.

Trump nicht interessiert

Im Verlauf des gestrigen Dienstags wollte Putin jedenfalls mit US-Präsident Donald Trump und der saudischen Führung telefonieren, um sie über die Gespräche mit Assad zu unterrichten. Saudi-Arabien, das die syrische Opposition unterstützt, sieht Gharib im Ringen mit dem Iran um die regionale Vorreiterrolle auf der Verliererstraße. Die mit dem Iran verbündete und Seite an Seite mit Assad kämpfende Hisbollah sei klar erstarkt, die Opposition werde von der syrischen Armee überrannt.

Die für heute, Mittwoch, anberaumten Syrien-Gespräche zwischen Russland, dem Iran und der Türkei weisen dem Westen die Rolle des Zaungastes zu. Das hat Gründe: US-Präsident Donald Trump hat bei seiner Amtsübernahme im Jänner klargemacht, dass Syrien in seiner Prioritätenliste eher unten zu finden ist.

Auch am Dienstag wollte er mit Putin nicht so sehr über Syrien als über den Atomstreit mit Nordkorea sprechen. Trump hatte im April syrische Luftwaffenstützpunkte vom Mittelmeer aus mit Raketen angreifen lassen. Eine punktuelle, mehr symbolische Aktion, deren militärischer Wert sehr in Zweifel gezogen wird. Seitdem geschah nicht viel.

Das ändert nichts daran, dass Assad nach Ansicht des Westens nicht Teil einer dauerhaften Friedenslösung sein kann. In Washington und Paris kann man sich Assad maximal als Mann des Übergangs vorstellen. Seine unmittelbare und sofortige Entfernung könnte das Chaos im Land nur noch verschlimmern, weiß man auch hier. Doch spielen die Entwicklungen in Syrien dem Westen nicht in die Hände.

Russland, der Türkei und dem Iran ist bei den regelmäßigen Astana-Treffen einiges gelungen. So wurden Deeskalationszonen geschaffen, in denen nicht gekämpft werden darf. Und die Türkei hat sich an Russland angenähert. Noch vor zwei Jahren standen beide Länder kurz vor einem Krieg, als die Türkei einen russischen Kampfjet über Syrien abgeschossen hatte. Mittlerweile nennt Präsident Recep Tayyip Erdogan Putin "meinen lieben Freund".

Der IS ist aus seinen Hochburgen vertrieben, die Rebellen sind an den Rand gedrängt. Knapp vor Weihnachten 2016 verloren die Assad-Gegner Ost-Aleppo, eine Niederlage, die als entscheidende Wende gesehen wird. Der Sieg für Assad war nur mit massiver russischer Hilfe möglich. Damaskus, Hama und Homs befinden sich unter der Kontrolle des Regimes, die Rebellen sind auf die Gebiete rund um Idlib zusammengedrängt. Das Regime beherrscht ein Drittel des Landes, wo zwei Drittel der Menschen wohnen. Die Opposition hält noch 13 Prozent des Landes mit 12,5 Prozent der Bevölkerung. Im Norden haben sich die Kurden etabliert - ein Zustand, der für die Türkei unerträglich ist. Erdogan will unter allen Umständen verhindern, dass die Kurden an seiner Südgrenze einen eigenen Staat errichten. Auch Assad würde das nicht akzeptieren.

Der Iran auf dem Vormarsch

Putin braucht die Türkei vor allem für die Rebellen-Gebiete im Nordwesten Syriens. Dort sind türkische Truppen einmarschiert, um Islamisten zurückzudrängen und halbwegs moderate Kräfte zu stärken, mit denen man sich unter Umständen an einen Verhandlungstisch setzen kann. Im Gegenzug erhofft sich Ankara Rückendeckung Russlands im Kampf gegen die kurdische YPG. Ein Sturz Assads ist auch für die Türkei längst zweitrangig.

Der Iran ist unterdessen dabei, eine schiitische Achse über den Irak, Syrien bis in den Libanon zu errichten. Das Regime in Teheran ist damit erfolgreich - während die Saudis zunehmend in die Defensive geraten.