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In Reih’ und Glied gegen Roma, Juden und Homosexuelle

Von Katharina Schmidt

Politik

Rechtsextremismus-Forscher Schiedel legt neues Buch über Europas Rechte vor.


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Wien.Der - schwache - Trost zuerst: In Osteuropa ist die Situation schlimmer als im Westen. Sieht man von den - vergleichsweise marginalen - Unterschieden einmal ab, so ist eines aber klar: Die extreme Rechte ist in ganz Europa auf dem Vormarsch.

Dieses düstere Bild zeichnet der Wiener Rechtsextremismus- und Antisemitismus-Forscher Heribert Schiedel in seinem neuen Buch "Extreme Rechte in Europa". Schiedel, Mitarbeiter des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstands und einer der wenigen ausgewiesenen Experten auf diesem Gebiet Österreichs, zeichnet in dem Band den Aufstieg der Rechten in den vergangenen Jahren in Europa nach. Auf der Basis zahlreicher Quellen legt er dem staunenden Leser das gesamte Ausmaß der europäischen Vernetzung der rechtsaußen angesiedelten Parteien dar. Dabei unterscheidet Schiedel penibel zwischen den Steigerungsstufen Rechtspopulismus, Rechtsextremismus und Neonazismus. Der Unterschied liege vor allem im Verhältnis zur faschistischen/nazistischen Vergangenheit. Rechtsextreme Parteien hätten dazu ein ambivalentes, neonazistische ein affirmatives Verhältnis. Deutlicher vom braunen Gedankengut abgrenzen würden sich demgegenüber die Rechtspopulisten. Die FPÖ stuft der Autor gemeinsam mit dem flämischen Vlaams Belang, Frankreichs Front National und der British National Party als rechtsextrem ein.

Generell ortet er eine zumindest "partielle Rehabilitierung des Faschismus und des Nazismus" in Europa. Rechte Parteien und einschlägige Aussagen seien salonfähig geworden - die "in Italien 1994 und Österreich 2000 begonnene Adelung rechtsextremer und -populistischer Parteien mit Regierungsverantwortung war einerseits Ausdruck dieser Normalisierung, andererseits deren Folge", schreibt Schiedel.

Worte und Taten

Vor allem in den osteuropäischen Ländern, wo neben der Kampfrhetorik auch paramilitärische "Bürgerwehren" mordend und brandschatzend zur Verteidigung des Nationalen ausrücken, ortet Schiedel eine "Komplizenschaft weiter Teile der Polizei". Dass dies womöglich nicht nur im Osten der Fall ist, zeigt die Mordserie in Deutschland: Auch die dortige Nazi-Zelle könnte vom Verfassungsschutz protegiert worden sein. Dazu kommt aber, dass "Europas Schmuddelkinder im Osten" nicht nur offenen Antisemitismus an den Tag legen, sondern auch Antiziganismus (gegen Roma und Sinti gerichtete Propaganda und Gewalt, dies vor allem in Ungarn) und Homophobie.

Wie unterschiedlich in ihrer Radikalität Europas Rechte auch sein mögen, einige Themen besetzen sie laut Schiedel gemeinsam: Zu den oben erwähnten kommen Antiislamismus, Kritik am "Brüsseler Zentralismus", Widerstand gegen die "Amerikanisierung" und Untergangsvisionen in Bezug auf das "christliche Abendland".

Schiedel legt eine fundierte und erschreckende Studie vor, die nicht nur, aber auch, vor dem Hintergrund der Anschläge in Norwegen und der deutschen Mordserie brandaktuell ist. Einzige Schwäche ist die oft sehr wissenschaftliche Sprache, die zu einer Einschränkung der Breitenwirksamkeit führen könnte. Ansonsten aber ein wichtiges Buch, das keine Minute zu früh auf den Markt gekommen ist.