Während auf dem Petersplatz weißer Rauch aufstieg, zogen sich über der Regierung Berlusconi schwarze Wolken zusammen. Italiens Regierungschef will offenbar alles auf eine Karte setzen. Nachdem er die Ankündigungen vom Montag über seinen Rücktritt Lügen gestraft hat, scheint er nun eine Vertrauensabstimmung im Parlament zu forcieren.
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Sollte er scheitern, stehen ein Jahr vor den regulären Parlamentswahlen Neuwahlen an. Doch ein Vertrauensvotum könnte auch die abtrünnigen Christdemokraten zu einem klaren Positionsbezug zwingen. Dem Vertrauensvotum will sich Silvio Berlusconi bereits am morgigen Donnerstag unterziehen, berichteten Agenturen unter Berufung auf einzelne Senatoren. Heute will er dem Parlament Bericht erstatten.
Am Montag schien sich die durch das Ausscheiden der Christdemokraten (CDU) eröffnete Krise der Mitte-Rechts-Koalition bereits gelöst zu haben. Fest erwartet wurde ein formeller Rücktritt des Regierungschefs. Dieser hätte den Weg freigemacht für eine Regierungsumbildung samt Rückkehr der CDU in das Vier-Parteien-Bündnis und neuem Regierungsprogramm. Doch Berlusconi bereitete sich gleich selbst eine Überraschung, indem er von einem Rücktritt gleich wieder Abstand nahm. Berlusconi erklärte nach dem Treffen mit Staatspräsident Ciampi, er wolle im Parlament die Situation erklären und um ein Vertrauensvotum bitten. Angeblich hatte ihn die Lega Nord zu dem Schritt gedrängt. Nur so kann Berlusconi zeigen, dass er trotz des Regierungsaustritts der UDC und der Neuen Sozialistischen Partei (Nuovo PSI) von Gianni De Michelis noch über eine Mehrheit verfügt.
Offene Kritik musste sich Berlusconi dafür gestern vom Chef der rechten Alleanza Nazionale (AN, zweitstärkste Regierungspartei), Außenminister Gianfranco Fini, anhören. "Wir müssen mit Bedauern feststellen, dass Berlusconis verweigerter Rücktritt die Gründung einer neuen Regierung mit der direkten Beteiligung aller Koalitionsparteien deutlich erschwert", hieß es in einer AN-Presseaussendung. Berlusconi habe außerdem den negativen Eindruck bekräftigt, dass die rechtspopulistische Lega Nord das letzte Wort in der Mitte-Rechts-Koalition zu sagen habe. Seine Partei werde zwar bei dem Vertrauensvotum für den Premierminister stimmen. Einen Austritt aus der Regierungskoalition schloss Fini aber nicht definitiv aus. Darüber werde die Parteispitze nach dem Vertrauensvorum entscheiden. Die Opposition drängte gestern erneut auf vorgezogene Wahlen.