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In sechs Wochen kommt der Winter

Von Heinz Kienzl und Wolfgang Wolte

Gastkommentare
Heinz Kienzl (l.) war Generaldirektor der Oesterreichischen Nationalbank. Wolfgang Wolte war Botschafter bei den Europäischen Gemeinschaften in Brüssel.

Die Flüchtlingsfrage muss dringend gelöst werden - auch weil das Wetter keine Zeit mehr lässt.


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Keine Zeit in der Flüchtlingsfrage lässt uns das Wetter, denn in sechs Wochen kommt der Winter, und mit Maßnahmen zur winterfesten Unterbringung der schon anwesenden Flüchtlinge muss unverzüglich begonnen werden. Manche Staaten glauben, sich der Aufgabe durch Abschottung entziehen zu können. Nur die Europäische Union ist stark genug, die anstehenden Flüchtlingsprobleme in Europa zu lösen.

Selbst Großbritannien ist nicht groß genug, um in der Weltpolitik eine entscheidende Rolle zu spielen, und Tschechien erst recht nicht. Nur gemeinsam hätte die EU das Potenzial, eine Führungsrolle zu übernehmen.

Die Krise im Nahen Osten wird offensichtlich auch durch einen Religionskrieg der verschiedenen Richtungen des Islam geprägt. Die USA und zwei europäische Staaten, nämlich Großbritannien und Frankreich, haben hier eingegriffen und, wie sich zeigen sollte, den Konflikt damit verschärft. Dazu kommt noch, dass die Türkei, der Iran und Saudi-Arabien, unterstützt von einigen anderen Staaten, auf dem Rücken der Syrer um die Vormachtstellung im Orient kämpfen. Die Lasten tragen auch die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, denn nicht nur die Flüchtlinge sind eine Belastung, die wirtschaftliche Lage hat sich ebenfalls, auch für Österreich, verschlechtert. Eine Lösung kann nur unter entschlossener Mithilfe der Europäischen Union zustande gebracht werden, einzelne europäische Staaten können da nichts erreichen.

Wir haben daher schon im Juni 2015 dem Europäischen Parlament über Evelyn Regner, Delegationsleiterin der Sozialdemokraten im EU-Parlament, als Mittelsfrau vorgeschlagen, das zu tun, wozu die EU bisher immer in der Lage war: einige Milliarden aufzubringen, um jenen Staaten, in denen die Masse der Flüchtlinge bisher untergekommen ist, zu helfen, erträgliche Bedingungen zu schaffen, damit die Flüchtlinge nicht den lebensgefährlichen Weg nach Europa nehmen müssen. In Jordanien, im Libanon und in der Türkei haben bisher Millionen Menschen Zuflucht gefunden und dabei von Menschen, denen es unvergleichlich schlechter geht als den Europäern, Hilfe erhalten. Immerhin hat die EU jetzt eine Milliarde Euro zur Verfügung gestellt, ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Wir Österreicher haben nach dem Zweiten Weltkrieg mit amerikanischer Hilfe - im heutigen Geldwert waren es fünf Milliarden Dollar - unser kriegszerstörtes Land wiederaufgebaut. Beide, Österreich und die USA, haben in wechselseitigem Handel seither ein Vielfaches lukriert.

Als Ansprechpartner für einen Wiederaufbau Syriens bietet sich wohl die EU an. Ihr Bruttonationalprodukt ist heute sechsmal so groß, wie es das BNP der USA zur Zeit des Marshall-Plans war - und wie klein ist da Syrien. Die EU ist schon aus geopolitischen Gründen berufen, ein Wiederaufbauprogramm für Syrien zu planen, zu organisieren und zu finanzieren. Bedenken wir auch, dass man den Flüchtlingen Asyl auf Zeit gewähren will. Und wohin sollen sie dann nach Ablauf des Asyls? Wiederaufbau und Rückführung wären eine denkbare Perspektive. Dafür sollte sich unsere Bundesregierung in Berlin und in Brüssel umgehend einsetzen.