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In Serbien geht Angst vor neuen NATO-Bomben um

Von Philippa Flechter

Politik

Belgrad · Niemand weiß so recht, wo die Gerüchte herkommen, trotzdem sind sie in Jugoslawien derzeit allgegenwärtig: Die NATO werde bald wieder ihre Bomber schicken und den Luftkrieg vom | vergangenen Jahr wiederholen. Je näher der Jahrestag der ersten Angriffe am 24. März rückt, desto präsenter werden die Gerüchte. Und dass niemand sagen kann, warum die NATO erneute Angriffe fliegen | sollte, scheint kaum jemanden zu irritieren.


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"Werden sie uns am 23. März bombardieren?", fragte die Tageszeitung "Nedeljni Telegraf" in einer Überschrift. Es gebe in diesen Tagen kaum ein Gespräch unter Freunden oder Bekannten, in

denen nicht über eventuelle neue Raketen- und Bombenangriffe spekuliert werde.

Neue Nahrung bekamen die Befürchtungen durch die jüngsten Spannungen und Auseinandersetzungen in und an der Grenze zur serbischen Provinz Kosovo, die seit Ende der Luftangriffe unter UNO-Verwaltung

und dem Schutz der NATO-geführten KFOR-Truppe steht. In der zwischen Albanern und Serben geteilten Stadt Mitrovica waren bei Ausschreitungen auch KFOR-Soldaten verletzt worden, von der serbischen

Seite der Grenze wurden Schießereien gemeldet.

Auch die Ankündigung eines Belgrader Zivilschutzbeamten, die Luftschutzsirenen zu testen, schürte die Ängste weiter. Die hinter Präsident Slobodan Milosevic stehende Tageszeitung "Politika"

nahm den Sirenentest als Beweis, dass der Westen die Gerüchte bewusst durch seine Getreuen streue. Schließlich gehöre der Zivilschutzbeamte der pro-westlichen Opposition an.

Die NATO betont dagegen, sie plane keineswegs neue Luftangriffe. Sie sei über die Gerüchte selbst völlig verblüfft und könne sie sich nicht erklären. Politiker der serbischen Opposition beschuldigen

die Regierung, die Gerüchte in die Welt zu setzen, um neue Unruhe, Angst und anti-westliche Stimmungen zu schüren. Dies solle die Menschen von anderen Problemen ablenken.

Auch die Einberufung von Reservisten in Südserbien habe die Befürchtungen in der Bevölkerung weiter angefacht, sagt Natascha Kandic vom Menschenrechtsfonds. Viele Einberufene seien dem Befehl nicht

gefolgt. Während im Kosovo über einen neuen Krieg spekuliert werde, hätten die Menschen in Südserbien Angst vor neuen Bomben.

Zumindest der Chef des unabhängigen Rundfunksenders "B292" kann sich NATO-Luftangriffe nicht vorstellen. Schließlich seien inzwischen die Serben im Kosovo die Opfer albanischer Gewalt. "Wen sollte

die NATO bombardieren? Das Kosovo?"