Lange hat der französische Staatschef Nicolas Sarkozy ein Treffen mit dem Dalai Lama vermeiden können, Anfang Dezember 2008 kam es dann aber doch zur folgenschweren Begegnung. In Danzig ließ sich der damalige EU-Ratspräsident von dem Exiltibeter den traditionellen weißen Schal um den Hals hängen, ab diesem Zeitpunkt konnte von normalen Beziehungen zwischen Frankreich und China nicht mehr die Rede sein. | Peking war über das informelle Treffen Sarkozys mit dem "Separatisten" so erbost, dass es mitten in der Wirtschaftskrise einen geplanten EU-China-Gipfel absagte und dass eine Reihe wichtiger Handelsverträge nicht unterzeichnet werden konnte. Alle Anzeichen sprachen dafür, dass Sarkozy im Vorfeld mit einer derart heftigen Reaktion der Chinesen einfach nicht gerechnet hatte und über den geplatzten Gipfel äußerst unglücklich war. Um sein Gesicht nicht zu verlieren, ließ Sarkozy damals selbstbewusst wissen, dass er sich nicht von Dritten vorschreiben lasse, wen er treffe und wen nicht.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Beim jetzigen G20-Gipfel in London bot sich für Frankreichs Präsident die Gelegenheit, den Fauxpas elegant auszubügeln. Er und sein chinesischer Kollege Hu Jintao verkündeten im Angesicht der schrumpfenden Weltwirtschaft das Ende der Eiszeit und einen Neuanfang in den bilateralen Beziehungen.
In diesem Zusammenhang beeilte sich Frankreich zu versichern, dass man "unter Achtung des Prinzips der Nichteinmischung jede Unterstützung der Unabhängigkeit Tibets in welcher Form auch immer" zurückweise. Damit dürfte auch dem EU-China-Gipfel nichts mehr im Wege stehen, möglich wäre ein derartiges Treffen bereits im Mai in Prag.
Diese Annäherung begünstigt hat mit Sicherheit der Umstand, dass es zuletzt nicht zu den befürchteten Unruhen in Tibet gekommen ist. Nachdem dort im Vorjahr im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen blutige Ausschreitungen die Welt empört hatten, mussten die Behörden in Peking heuer mit dem Schlimmsten rechnen.
Immerhin jährte sich im März der Tibeter-Aufstand von 1959 zum 50. Mal, in Peking läuteten alle Alarmglocken. Doch die Tumulte blieben weitgehend aus - ein Grund dafür dürften die massive chinesische Polizeipräsenz und andere Einschüchterungsaktionen gewesen sein. Objektive Berichte über die Lage in Tibet gibt es kaum, da die Behörden die Grenzen der Region für Ausländer komplett geschlossen haben.
Die trostlose Situation, in der sich die meisten Tibeter befinden, ist deshalb derzeit kaum ein Thema. Umso leichter kann der französische Präsident einer Unterstützung Tibets abschwören und gemeinsam mit den Chinesen die derzeit offenbar viel drängenderen Fragen ins Auge fassen.