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In tiefer Feindschaft verbunden

Von Klaus Huhold

Politik

Der langjährige Konflikt zwischen den beiden Großparteien eskaliert vor der Parlamentswahl.


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Dhaka/Wien. Die Protestaktion hatte tödliche Folgen: Oppositionsanhänger haben in Bangladesch Gleise entfernt, um den Zugverkehr aufzuhalten. In der Nähe des Bahnhofs Bonarpara, der 300 Kilometer von der Hauptstadt Dhaka entfernt liegt, entgleiste daraufhin ein Zug. Vier Passagiere starben, 50 weitere wurden verletzt.

Der Zwischenfall wirft ein Schlaglicht auf die Zustände in dem südasiatischen Land, das sich in einer schweren politischen Krise befindet. Die für Sonntag angesetzte Parlamentswahl heizt die Stimmung auf. Die islamistische Jamat e-Islaami wurde vom Urnengang ausgeschlossen, und ein von der Bangladesh Nationalist Party (BNP) angeführtes Oppositionsbündnis boykottiert die Wahl, weil es der Regierung vorwirft, einen fairen Urnengang zu verhindern. Seit Wochen mobilisiert die Opposition ihre Anhänger, die Straßen, Wasser- und Schienenwege blockieren und für Demonstrationen und Streiks sorgen, die oft in Gewalt münden. Linienbusse brennen, es kommt zu Straßenschlachten mit der Polizei - wobei die Regierungsgegner den Sicherheitskräften vorwerfen, wahllos auf Demonstranten zu schießen. Zudem gehen auch Anhänger der Regierung und der Opposition aufeinander los. Die politischen Auseinandersetzungen haben in den vergangenen zwei Monaten mehr als 100 Menschen das Leben gekostet.

Stein des Anstoßes ist die Art und Weise, wie die regierende Awami League das Votum durchführen will. Sie hat nämlich eine von der Verfassung vorgegebene Bestimmung aufgehoben, wonach die Regierung vor der Wahl zurücktritt und ein unabhängiges Übergangskabinett das Land bis zum Votum lenkt. So sollte vermieden werden, dass die Regierungspartei die Wahl zu ihren Gunsten beeinflusst. Eine neu geschaffene Regelung belässt nun die Regierung im Amt, dafür erhält die Wahlkommission mehr Rechte. Für die Opposition ist das zu wenig, sie fordert, dass das alte System wieder eingeführt wird. Die BNP will daher die Wahl nicht nur boykottieren, sondern mit ihren Protestaktionen gar verhindern. Die Regierung beharrt hingegen darauf, die Abstimmung durchzuziehen. "Keiner wird es schaffen, die Wahlen aufzuhalten", bekräftigt Mohammad Nasim von der Awami League.

Gekämpft wird mit harten Bandagen: Während es der Opposition mit ihren Blockadeaktionen zeitweise gelang, die Hauptstadt Dhaka vom Rest des Landes abzuschneiden, wurden ihre Anführer reihenweise verhaftet. Ihnen wird vorgeworfen, zu Ausschreitungen angestiftet zu haben. Weder die Regierung noch ihre Gegner zeigen sich auch nur im Geringsten kompromissbereit. Nun herrscht große Angst, dass dieses Wochenende am Wahltag die Gewalt noch einmal eskaliert.

Fehde zweier Rivalinnen

Der erbittert ausgefochtene Streit ist bezeichnend für die politische Kultur im Land. Zwischen den beiden Großparteien, der Awami League und der BNP, herrscht kein gesunder Wettstreit, sondern sie sind einander in tiefer Feindschaft verbunden. Wenn nicht gerade ein Militärregime das Ruder in der Hand hielt, wechselten sich BNP und Awami League in den vergangenen Jahrzehnten an der Macht ab. Die Partei, die gerade das Sagen hat, versucht dabei, die Institutionen bis in die untersten Ebenen mit eigenen Leuten zu besetzen. Die Partei, die gerade in der Opposition ist, stachelt ihre Anhänger zu Streiks und Demonstrationen an.

Angefeuert wird der Konflikt durch die große Abneigung, die die beiden Parteiführerinnen, Sheikh Hasina von der Awami League und Khaleda Zia von der BNP, füreinander hegen. Sie entstammen zwei einflussreichen Clans, die sich seit Jahren befehden. Derzeit hat Hasina als Premierministerin die Trümpfe in der Hand: In den vergangenen Tagen wurde es Oppositionsführerin und Ex-Regierungschefin Zia laut ihren Anhängern von Sicherheitskräften unmöglich gemacht, ihr Haus zu verlassen. Zudem kündigte Hasina bereits an, dass sich Zia für die Gewalt der vergangenen Tage vor Gericht verantworten wird müssen - wenn die Regierung die Wahl gewinnt.

Daran besteht aber kein Zweifel mehr: Denn 154 der 300 Parlamentssitze sind wegen des Oppositionsboykotts schon an das Regierungslager vergeben. Die Wahlkommission erklärte diese Kandidaten der Awami League in ihren Wahlkreisen bereits zu Siegern - damit kann ein Großteil der Bangladeschis gar nicht mehr abstimmen. Und den Wahlberechtigten wird die Gelegenheit für einen Machtwechsel genommen: Bisher wurde keine Regierung in dem Land wiedergewählt. Denn laut Beobachtern hat es noch jedes Kabinett geschafft, die Bevölkerung durch Postenschacher und Korruption zu frustrieren.

Wirtschaftlicher Schaden

Es könnte ein Pyrrhussieg für die Awami League werden. Im eigenen Land droht ihr nach dem Wahlsieg die Legitimation zu fehlen. Und auch international wird der Urnengang kritisch gesehen: Die Wahlbeobachter der EU und der USA sagten ihr Kommen ab. Deswegen wird nun spekuliert, dass es bald wieder zu Neuwahlen kommt. Vorerst scheint das Votum aber den politischen Konflikt in Bangladesch nur zu prolongieren. Und dieser hat die Bevölkerung bereits hart getroffen: Der Warenverkehr wurde teilweise lahmgelegt, die Preise sind gestiegen, Fabriken standen still, Arbeiter kamen in dem Entwicklungsland um ihren Lohn. Der Großteil der Bangladeschis ist der ständigen politischen Auseinandersetzungen ohnehin längst müde, getragen werden die politischen Streiks und Protestaktionen zumeist nur von einigen Parteisoldaten, die dafür oft brutal und kompromisslos vorgehen.

Ein Ausweg aus der Krise ist Beobachtern zufolge nur möglich, wenn sich die beiden Großparteien endlich zusammenraufen, Doch das will ihnen schon seit Jahren nicht gelingen.