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In Ungarn wächst staatlicher Druck auf Journalisten

Von WZ-Korrespondentin Karin Rogalska

Europaarchiv

Medienlandschaft verliert seit Monaten an Vielfalt. | Selbstzensur an der Tagesordnung.


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Budapest. Wer sich authentisch über die politische Situation in Ungarn informieren will, nimmt inzwischen wohl keine ungarischsprachigen Medien mehr zur Hand, die im Nachbarland erscheinen. Spätestens seit Inkrafttreten des international umstrittenen Mediengesetzes ist es in den Zeitungen öde geworden. Jubelmeldungen zu vermeintlichen Erfolgen der rechtskonservativen Regierung von Viktor Orban lösen sich mit scheinbar kritischer Berichterstattung ab, bei der jedoch im Endeffekt auch wieder die Regierung gut dasteht. Eine der wenigen Ausnahmen ist die linksliberale Tageszeitung "Nepszabadsag". Deren Macher waren vor den Parlamentswahlen im April 2010 schlau genug, sich gut mit Orban zu stellen, indem sie ihn ihrer Leserschaft als ausgesprochen menschlich nahebrachten.

Andernorts scheinen Redakteure inzwischen einem "schier unerträglichen" Druck ausgesetzt. Das gilt für Vertreter links- wie rechtsorientierter Medien. Die einen raunen sich unter der Hand die Namen jüngst gefeuerter Kollegen zu und fürchten die baldige Verschärfung des Mediengesetzes. Dann haften Verleger persönlich für die Zahlung der Bußgelder, welche die von der Regierungspartei Fidesz dominierte Aufsichtsbehörde gegen Medien verhängt, die "nicht ausgewogen" berichten. Die anderen sind angehalten, Orban trotz allgegenwärtiger Stagnation durchwegs als schlagkräftig erscheinen zu lassen. All das reicht, damit sich Journalisten einer ständigen Selbstzensur unterziehen.

Dabei hat es unter Orban durchaus Verbesserungen gegeben. Seit dem Machtwechsel ist es etwa leicht zu erfahren, worüber Regierung und Parlament gerade beraten. Unter den Sozialisten schien dies ein wohlgehütetes Geheimnis.

Ökonomische Probleme

Politisch unliebsame Journalisten hatten es allerdings nie leicht. "Ich weiß von nichts mehr" ist die gängige Umschreibung dafür, dass ein Kollege aus allen Informationsverteilern gestrichen wurde, nachdem er sich einen Fauxpas erlaubt hat. Mehr und mehr ist das Bestehen in der ungarischen Medienwelt auch eine Frage der wirtschaftlichen Stärke. Dabei hat die politische Rechte die Nase derzeit vorn, weil sie ihr nahestehende Medien in den vergangenen Jahren systematisch zu einem schlagkräftigen Block ordnete.

Viele linksorientierte Medien ringen hingegen mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Auch kleine, oft auf staatliche Zuschüsse angewiesene Medien leiden unter der Situation. Etliche Zeitungen der nationalen Minderheiten kämpften etwa im Herbst ums Überleben, als ihnen "vorübergehend" die Auszahlung öffentlicher Gelder verweigert wurde.