Die Arbeiterkammer will mit der Wirtschaft über eine Verkürzung der Arbeitszeit reden.
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Wien. Fast war es wie ein Déjà-vu -aber eben nur fast. "Wir haben den Vizekanzler mehrfach davor gewarnt, den Bogen nicht zu überspannen", sagte Erwin Zangerl, der schwarze Chef der Arbeiterkammer (AK) Tirol, Ende vergangener Woche angesichts der Wirtschaftsrede von ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner. In dieser ging es unter anderem um Wünsche wie die Senkung der Körperschaftssteuer, zusätzliche Arbeitszeitflexibilisierung und eine Senkung der AK-Umlage. Am Montag verschärfte der ÖVP-Parteifreund seine Kritik und warf Mitterlehner undemokratisches Verhalten mit Inhalten "rechts von den Neos" vor, wobei er die Arbeitnehmer "links liegen" lasse.
Die Situation erinnert an jene von vor zwei Jahren: Damals, am 25. August 2014, legte Zangerl dem damaligen ÖVP-Obmann und Vizekanzler Michael Spindelegger den Rücktritt nahe, nachdem dieser eine Steuerreform samt moderater Vermögenssteuer mehrmals abgelehnt hatte. Am 26. August gab Spindelegger seinen Rücktritt von allen Ämtern bekannt.
Neue Arbeitsplätze und gerechtere Arbeitsverteilung
So drastisch ist es heute noch nicht. "Er soll bleiben", sagte Zangerl am Montag über den Vizekanzler. Denn zu gehen, sobald es Probleme gebe, sei ebenfalls falsch.
Auch der rote Präsident der Bundesarbeiterkammer, Rudolf Kaske, kritisierte die Forderungen Mitterlehners - was hinsichtlich seines Parteihintergrunds freilich weniger verwunderlich ist. Beide AK-Präsidenten präsentierten am Montag gemeinsam mit dem Kärntner Kollegen Günther Goach eines ihrer vorrangigsten Ziele angesichts der Arbeitnehmersituation: Bis zum Jahr 2020 will die AK die Zahl der Arbeitslosen um 100.000 Personen senken. Ein freilich hehres Ziel, soll doch laut Prognosen das Arbeitskräfteangebot bis 2020 um 323.000 Personen wachsen (etwa wegen des Greifens der Pensionsreform, der Flüchtlinge und der steigenden Erwerbstätigkeit der Frauen), die Zahl der Stellen hingegen um nur 175.000.
Das Arbeitsmarktservice hält dieses Ziel dennoch für realistisch, wie es auf Nachfrage heißt. Für die Wirtschaft ist es freilich schwierig, um so viele Arbeitsplätze mehr zu schaffen, dass die Arbeitslosigkeit sinkt. Kaske setzt jedoch auf Spezialisierung - Stichwort Industrie 4.0 -, und er will die Arbeit gerechter verteilen. Mit der Wirtschaft will er über eine Verkürzung der Arbeitszeit reden. Letztere scheint für das Wirtschaftsministerium allerdings nach wie vor kein Thema zu sein. "Wir sind für flexible Arbeitszeiten, ohne die Gesamtarbeitszeit zu erhöhen", heißt es zur "Wiener Zeitung". So sei es auch im Regierungsprogramm vorgesehen. "Aber wir sind nicht für eine Arbeitszeitverkürzung."
Sechste Urlaubswocheund weniger Überstunden
Genau so möchte Kaske es aber nicht. Die Diskussion dürfe nicht unter den Aspekten Flexibilität und Lohnkürzungen geführt werden, sagte er, es gehe um die Sicherung von Einkommen und Kaufkraft der Arbeitnehmer. Möglichkeiten für flexible Arbeitszeiten gebe es außerdem schon jetzt, für die Forderung der Wirtschaft sehe er daher "keine Notwendigkeit", und er verstehe auch die "Betriebsamkeit" nicht.
Kaskes Prioritäten sind andere. Zum Beispiel auch eine sechste Urlaubswoche für alle Arbeitnehmer, wie er am Montag erneut forderte, und weniger Überstunden. Im Vorjahr wurden insgesamt 253 Millionen Überstunden geleistet, davon 52 Millionen unbezahlt. Umgerechnet würden allein Letztere 30.000 zusätzliche Arbeitsplätze auf Vollzeitbasis bedeuten, so Kaske.
Der Schlüssel für die Zukunft seien Bildung und Qualifikation. Zangerl bekräftigte diesbezüglich die Forderung nach einem zweiten verpflichtenden Kindergartenjahr - und liegt zumindest damit auf Linie der ÖVP, die ein zweites Kindergartenjahr für jene, die es brauchen, umsetzen will.