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Regierung beschließt am Donnerstag Patientenverfügung. | Patienten können selbst entscheiden, ob ihr Leben verlängert werden soll. | Wien. "Die großen Erfolge in allen Bereichen der modernen Medizin haben - neben dem Vertrauen der Bevölkerung in diese Medizin - auch Ängste vor einer menschenunwürdigen Praxis der gewaltsamen Lebensverlängerung hervorgerufen", umreisst der Bonner Palliativmediziner Eberhard Klaschik das Problem. Hilfe gegen eine ungewollte Lebensverlängerung soll eine Patientenverfügung bringen, die Donnerstag im Ministerrat beschlossen werden soll.
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Seit mehr als vier Jahren fordern u. a. Patientenanwälte, Caritas und Palliativmediziner eine rechtliche Basis für eine Patientenverfügung. Schon im Jahr 2004 hat Gesundheitsministerin Rauch-Kallat einen ersten Entwurf vorgelegt. Nun bringt sie einen gemeinsamen Entwurf mit Justizministerin Karin Gastinger ein. Die Patientenverfügung ist ein Dokument, in dem festgelegt wird, welche Behandlungsmethoden nicht mehr angewendet werden dürfen, wenn man nicht mehr in der Lage ist, sich dazu zu äußern. Damit soll sowohl für Patienten als auch für Ärzte Klarheit über die Verbindlichkeit des Behandlungs(un)willens geschaffen werden.
Untzerschieden wird dabei zwischen der "verbindlichen" und der "beachtlichen" Patientenverfügung. Für eine "verbindliche" ist volle Einsichts- und Urteilsfähigkeit nötig. Minderjährige oder Personen, die unter Sachwalterschaft stehen, können diese Erklärung nicht abgeben. Die Patientenverfügung, die nach Beratung durch einen Arzt bei einem Notar, einem Rechtsanwalt oder der Patientenanwaltschaft unterzeichnet werden kann, soll fünf Jahre gültig sein. Wenn nicht alle Formvorschriften eingehalten werden, ist es eine "beachtliche" Verfügung, die als Orientierungshilfe dienen kann.
Ärzte haben bei Vorliegen einer irreversiblen Dauerschädigung des Gehirns oder irreversibler Bewusstlosigkeit, die letztlich unausweichlich den Tod bedingen, schwerwiegende Entscheidungen über die Fortsetzung oder den Abbruch der Behandlung zu treffen. Eine Patientenerklärung kann den Ärzten nun bei ihrer Entscheidung helfen.
Aktive Sterbehilfe ist in Österreich verboten, aber passive Sterbehilfe - die Einstellung von Beatmung, Sauerstoffzufuhr, Bluttransfusionen und künstlicher Ernährung - ist erlaubt. Der in Patiententestamenten formulierte Wunsch nach Hilfe im Sterben ist in diesem Sinn rechtlich zulässig. So sind die Nichtaufnahme einer Behandlung, der stufenweise Behandlungsabbau, das Nichtweiterführen einer begonnenen Therapie oder das Verabreichen schmerzlindernder Medikamente nicht strafbar. Der Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen ist dann zulässig, wenn die Krankheit irreversibel oder die traumatische Schädigung ungünstig verläuft und der Tod absehbar eintreten wird.
Als erstes Krankenhaus in Österreich hat das LKH-Universitätsklinikum in Graz ein eigenes Komitee zu ethischen Fragen eingerichtet. Bei schwierigen Fällen steht das Komitee dem medizinischen Personal beratend zur Seite. "In der täglichen Arbeit bei der Behandlung von Patienten sind immer wieder sehr schwierige Entscheidungen zu treffen, etwa bei der Begleitung von Sterbenden, oder wenn es darum geht, die invasive Therapie weiterzuführen oder nicht", sagt Thomas Pieber, ärztlicher Direktor des LKH-Universitätsklinikums Graz. In diesem Fall kann das Komitee helfen.
In Frankreich ist passive Sterbehilfe seit dem Vorjahr erlaubt. Eine aktive Sterbehilfe bleibt aber untersagt - wie übrigens auch in Österreich. In Frankreich hat man so auf den Aufsehen errgenden Fall Vincent Humbert, dessen Mutter ihm nach jahrelangem Bitten um aktive Sterbehilfe eine Überdosis Schlaftabletten verabreicht hatte. Die Ärzte hatten noch um das Überleben des mannes gekämpft, dann aber aufgegeben.