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In würdevoller Trägheit

Von Hermann Schlösser

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Wie jedes Jahr, wurde am vergangenen Sonntag in Frankfurt der "Friedenspreis des deutschen Buchhandels" verliehen. Schauplatz der Zeremonie war die historische Paulskirche, und das erste deutsche Fernsehen (ARD) übertrug das Geschehen live. (Auch das wie jedes Jahr.)

Ausgezeichnet wurde die algerische Schriftstellerin Assja Djebar, die in ihren Büchern "den Machtlosen eine Stimme gegeben hat", wie Frankfurts Oberbürgermeisterin Roth formulierte. Die Wiener Autorin Barbara Frischmuth, die danach die Laudatio hielt, hatte Djebars Bücher offenbar gründlicher gelesen als die Politikerin, denn sie erklärte, dass dort nicht nur eine Stimme spreche, sondern ein kunstvoll arrangiertes Gewirr verschiedenster Stimmen und Sprachen. Die Preisträgerin selbst bestätigte diese Beobachtung: Das Französische, so sagte sie in ihrer Dankesrede (auf Französisch), sei die Sprache ihres Denkens, das Arabische und das Berberische hingegen seien Sprachen ihres Herzens.

Davon abgesehen verlief der Festakt in würdevoller Trägheit. Wie zur Auflockerung zeigten die Kameras zuweilen die lauschende Prominenz in Nahaufnahme. Und ob es nun Absicht war oder Zufall - jedenfalls stand den meisten Abgebildeten der Ausdruck der Langeweile unübersehbar ins Gesicht geschrieben. Die Müdigkeit des deutschen Bundespräsidenten Rau war z.B. geradezu ansteckend. Das war schade, denn zumindest die Reden Frischmuths und Djebars waren interessant und schön. Aber vielleicht hätte man sie sich im Radio anhören sollen.