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Inder sind wütend auf ihre Politiker

Von WZ-Korrespondentin Agnes Tandler

Politik

Innenminister trat nach Anschlägen von Bombay zurück. | Auch zwei Landespolitiker zogen die Konsequenzen. | Neu Delhi. "Ihr stinkenden Hunde", schreit der Vater des getöten Majors Sandeep Unnikrischnan und schlägt zwei hohen Ministern, die ihn in Bangalore besuchen wollen, die Haustür vor den Nase zu. "Ich will keine Politiker treffen", schimpft er. Sandeep, sein einziger Sohn, starb bei der Stürmung des Taj Mahal Hotels in Bombay (Mumbai) am Samstag. Der Vater ist stolz darauf, dass der 31-Jährige sein Leben für sein Land geopfert hat, aber ihm missfällt, dass Politiker daraus Vorteile ziehen wollen.


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"Genug ist genug", fordern Demonstranten unweit der beschädigten Luxusherberge Taj Mahal am Gateway of India, dem Wahrzeichen Bombays.

Millionen Bürger fragen sich, was die Politiker im Land eigentlich getan haben, um die Katastrophe zu verhindern. Sie haben mitangesehen, wie Terroristen Indiens Finanzhauptstadt über 60 Stunden als Geisel genommen hatten und wie 172 Menschen bei den Anschlägen an zehn verschiedenen Plätzen der Stadt starben. "Ich bin so wütend. Drei Tage habe ich daheim gesessen, wissend, dass Menschen, die ich kenne, in den Hotels eingesperrt sind", schäumt die Schauspielerin Amrita Puri.

Indiens Regierung muss sich nach den Anschlägen von Bombay Versagen und Inkompetenz nachsagen lassen. Der Geheimdienst soll zahlreiche Hinweise gehabt haben, dass ein groß angelegter Terrorangriff auf die Stadt vom Meer her geplant war. Auch die beiden Luxus-Hotels Taj und Oberoi Trident sollen bereits seit längerem als Ziel genannt worden. Doch niemand handelte. Kritik gibt es auch am verspäteten Einsatz der Spezialtruppen und der dürftigen Ausrüstung der Anti-Terrorkämpfer.

Das "Black Cats"-Einsatzkommandos gelangte erst Stunden später zu den drei von den Terroristen besetzten Orten in Bombay, der Hauptstadt des Bundesstaates Maharashtra, weil erst ein Flugzeug und dann ein Bus für sie fehlte. Sie sollen nun endlich eine eigene Maschine bekommen.

Keiner der hoher Politiker hielt es während des tagelangen Einsatzes für nötig, sich vor Ort über die Situation zu informieren und den Sicherheitskräften, Feuerwerkleuten, Sanitätern und Ärzten, die pausenlos - oft ohne Essen, Wasser und Schlaf - im Einsatz waren, zu danken.

Partylaune undPicknick-Flair

Im Gegenteil: Rahul Gandhi, der Erbe der mächtigen Politiker-Dynastie, feierte am Samstag ausgelassen bis in die frühen Morgenstunden in einem Landhaus außerhalb von Neu Delhi die Hochzeit eines Jugendfreundes - nur wenige Stunden, nachdem Familien und Freunde gezeichnet von Schmerz und Trauer die im Einsatz getöteten Polizisten und Soldaten zu Grabe getragen hatten und die ganze Nation vor dem Fernseher mitweinte.

Am gleichen Tag brachte der Ministerpräsident von Maharashtra, Vilasrao Deshmukh, die Menschen auf, als er mit seinem Sohn Riteish und einem Bollywood-Filmregisseur durch das Taj-Hotel spazierte als ginge es zum Picknick. Am Montag reichte der Politiker der Kongresspartei seine Entlassung ein.

Keineswegs sensibler verhielt sich sein Stellvertreter, der die beispiellose Terrorattacke in Bombay als "kleinen Vorfall" bezeichnete, der in jeder Großstadt mal passieren könne. Auch er musste am Montag seinen Hut nehmen.

Der Bundesinnenminister Shivraj Patil räumte schon am Sonntag seinen Posten. Zum Nachfolger wurde der bisherige Finanzminister P. Chidambaram ernannt. Die Regierung steht wenige Monate vor den Parlamentswahlen unter enormem Druck. Viele bezweifeln, dass die Rücktritte daran viel ändern.