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Blickt man aktuell nach Indien, so sind derzeit der Besuch von US-Präsident Barack Obama und die diplomatische Zukunft der indisch-amerikanischen Beziehungen das Thema Nummer 1. Der Anlass dieses Besuchs gerät in den Hintergrund: Zum 66. "Republic Day" (26. Jänner) wird die indische Verfassung 65 Jahre alt. Eine Verfassung, deren Geschichte in vielfacher Hinsicht einzigartig ist.
Grund genug, sich diese etwas genauer anzusehen: Ihr Inkrafttreten wird als Geburtsstunde des souveränen und unabhängigen Indiens angesehen und daher jährlich mit großen Feierlichkeiten begangen. Die vorangehenden Verhandlungen und die Ausarbeitung der Verfassung endeten knapp drei Jahre nach der offiziellen Unabhängigkeit Indiens 1947. Die indische Verfassung gilt als das längste Verfassungsdokument eines souveränen Staates und beinhaltet unter anderem die Säkularisation als einen tragenden Grundpfeiler, wobei diese erst im Wege einer Verfassungsänderung 1976 eingeführt wurde. Die Trennung von Staat und Religion, und daraus abgeleitet die Gleichrangigkeit aller Religionen in einem Land, im dem nahezu jede repräsentiert ist, ist nicht nur auf dem Papier wichtig. Kulturelle und religiöse Diversität sind Teil der indischen Identität und in Zeiten weltweit zunehmender politischer Unruhe umso wichtiger. Diversität zeichnet sich auch sozial in unvergleichbarer Weise ab. Als emerging market liegt der Fokus des Landes auf wirtschaftlichem Wachstum, die immer größer werdende soziale Kluft ist die Kehrseite dieser Medaille.
Die treibende Kraft hinter der Verfassung war ein Unberührbarer
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die treibende Kraft hinter der indischen Verfassung, Dr. Bhimrao Ramji Ambedkar, selbst aus der Kaste der Unberührbaren kam. Als Stipendiant studierte er unter anderem in den USA an der Columbia University und schloss sich als Jurist und Ökonom zurück in Indien der Unabhängigkeitsbewegung rund um Mahatma Gandhi an. Die Abschaffung der gesellschaftlichen Ungerechtigkeit schrieb er sich auf seine Fahnen und im übertragenen Sinn auch auf die Indiens. Von ihm soll der Vorschlag stammen, das "Rad der Lehre" (Ashoka-wheel, oder Dharmachakra) auf der Nationalfahne des unabhängigen Indiens abzubilden. Mit diesem buddhistischen Symbol soll die religiöse Vielfalt Indiens dargestellt werden.
Die Zeiten mögen sich geändert haben, die Themen allerdings nicht. Gerade im Lichte des wirtschaftlichen und technologischen Fortschritts ist es wichtig den breiten Teil der Bevölkerung mit diesem Aufwind auch zu erreichen. Nach der indischen Verfassung ist das Kastenwesen längst abgeschafft, in vielen Teilen des Landes de facto noch nicht. Soziale Diskriminierung ist also noch immer ein wichtiges Thema für Indien. Auch die Diversität des Landes sollte in den kommenden Jahren zunehmend zu einer Stärke des Landes ausgebaut werden. Für beides muss vor allem die durchschnittlich außergewöhnlich junge Bevölkerung des Landes - über soziale Schichten hinweg - gefördert werden.
Aakriti Chandihok ist gebürtige Wienerin mit indischen Wurzeln. Sie hat
an der Universität Wien Jus studiert und ein postgraduales Studium an
der Columbia University in New York absolviert. Derzeit arbeitet sie als
Juristin in Wien und beschäftigt sich intensiv mit indienbezogenen
Themen.