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Der indische Außenminister Pranab Mukherjee machte am Freitag "Elemente in Pakistan" für die verheerenden Anschläge in Bombay / Mumbai verantwortlich. Pakistanische Medien beklagten Indiens Rückfall in reflexartigen Schuldzuweisungen an die Adresse Pakistans bei Anschlägen in Indien.
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Bei früheren Angriffen hatte sich Neu Delhi meistens zurückgehalten, schließlich laufen zwischen den beiden Atommächten seit knapp fünf Jahren schleppende Friedensgespräche, die Indien nicht gefährden wollte. Doch Indiens Geduld scheint mit den Angriffen von Bombay endgültig überstrapaziert worden zu sein.
Die pakistanische Zeitung The News kritisierte zwar, indische Sicherheitskräfte, die die Anschläge nicht abwehren konnten und deswegen in der Kritik stehen, seien "bestrebt, jemand anderem die Schuld zuzuschieben". Das Blatt räumte aber auch ein: "Die furchtbare Wirklichkeit unserer Zeit ist, dass Pakistan zum Weltzentrum für Terrorismus geworden ist."
Nach indischen Medienberichten richtet sich der Verdacht auf die muslimische Terrorgruppe Lashkar-e-Toiba. Ein festgenommener Terrorist soll gesagt haben, dass die meisten der etwa 40 Angreifer Pakistaner gewesen seien. Möglicherweise kamen die Terroristen mit einem Schiff aus der pakistanischen Hafenstadt Karachi zu ihrer tödlichen Mission nach Bombay.
Verbindungen zum Geheimdienst vermutetLashkar-e-Toiba hat eine unrühmliche Geschichte in Indien, die "Armee der Reinen" wurde dort für viele Anschläge verantwortlich gemacht. Indische Sicherheitskräfte sind nicht nur überzeugt davon, dass die Organisation aus dem Nachbarland heraus operiert, sondern auch, dass die Gruppe zumindest früher Verbindungen zum pakistanischen Geheimdienst ISI unterhielt. So war es am Freitag auch kaum als freundliche Bitte zu verstehen, als die indische Regierung Pakistan aufforderte, ISI-Chef Ahmed Shuja Pasha zum "Austausch von Informationen und Beweisen" nach Neu Delhi zu entsenden.
Die nervöse pakistanische Regierung dürfte sich durch die Anfrage auf höchster Ebene in die Enge getrieben gefühlt haben. Eine Ablehnung hätte kaum zu der Versicherung gepasst, Indien alle Unterstützung bei der Aufklärung der Angriffe zukommen zu lassen. Islamabad entsprach dem indischen Wunsch, Premierminister Yousaf Raza Gilani sah sich allerdings gezwungen, den noch nie dagewesenen Schritt umständlich zu rechtfertigen. Für viele Pakistaner wirkte Indiens Anfrage, als würde der einstige Erzfeind den ungeliebten Geheimdienstchef herbeizitieren.
"Wir wissen, dass Pakistan nicht (an den Angriffen) beteiligt ist, aber sie (die Inder) wollten nur Zusammenarbeit, Zusammenarbeit im Geheimdienstbereich", sagte Gilani. "Wenn wir nicht beteiligt sind, warum sollten wir uns dann schuldig fühlen?"
Indiens Außenminister Mukherjee sah für Schuldgefühle dagegen allen Grund. In einem Telefonat mit seinem pakistanischen Amtskollegen Shah Mahmood Qureshi machte er deutlich, dass Terrorangriffe wie in Bombay oder auf die indische Botschaft in Kabul im Juli darauf zielten, die von Pakistan gewünschte Verbesserung der bilateralen Beziehungen "unmöglich" zu machen. "Wir erwarten, dass Pakistan sich an seine feierlich gegebene Verpflichtung hält, nicht zuzulassen, dass sein Territorium für Terrorangriffe gegen Indien genutzt wird."
Für den Anschlag auf die indische Botschaft in Kabul hatte Neu Delhi offen den ISI verantwortlich gemacht. ISI-Chef Pasha dürfte daher kaum ein freundlicher Empfang in Delhi bereitet werden. Dass in seiner Behörde eher kühle Gefühle für Indien vorherrschen, machten ISI-Offiziere vor wenigen Tagen bei einem Besuch deutscher Journalisten in der Zentrale des Geheimdienstes in Islamabad deutlich: Sie warfen dem Nachbarland vor, die Taliban im Nordwesten Pakistans und die Nationalisten in der Provinz Baluchistan zu unterstützen. Dafür gebe es "sehr handfeste Beweise", hieß es - anders als für eine ISI-Beteiligung am Anschlag in Kabul. Der ISI unterstütze keine Terroristen, sondern bekämpfe sie.
Terror gegen Enspannung
Wer auch immer die Angriffe in Bombay ausgeführt hat, habe die Beziehungen zwischen Indien und Pakistan nach einer Phase der Entspannung "wieder auf den vertrauteren Nullpunkt gebracht", schrieb die pakistanische Zeitung Dawn am Freitag.
Dass dieser Nullpunkt im schlimmsten Fall für die ganze Welt gefährlich werden könnte, bewies ein Anschlag auf das indische Parlament im Dezember 2001. Nach dem Angriff, für den Indien unter anderem Lashkar-e-Toiba und Pakistan verantwortlich machte, mobilisierten die beiden Atommächte ihre Truppen. Indien und Pakistan standen damals kurz vor einem Krieg.
Warnung der USA
Das US-Außenministerium hat Amerikaner vor zunehmender Terrorgefahr in Indien gewarnt. Indienreisende sollten in höchstem Maße wachsam sein und auf ihre Sicherheit achten. Amerikanische Staatsbürger in Indien sollten Menschenansammlungen und Demonstrationen meiden und ihre täglichen Fahrtrouten wechseln. "Das Außenministerium warnt US-Bürger vor steigenden Sicherheitsbedenken in Indien", heißt es in dem am Freitag veröffentlichten Memorandum. Bei der Terrorserie kamen nach offiziellen US-Angaben zwei Amerikaner ums Leben.