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Rohstoffarmes Land fordert legalen Zugang zu Nukleartechnik. | Atombehörde will Überprüfungen. | Neu Delhi. Anil Kakodkar ist viel unterwegs. Der
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geschäftige Atomwissenschaftler hängt seit langem einen Traum nach: Ein Indien, das in Energiefragen unabhängig ist und das seinen riesigen Bedarf mit eigenen Resourcen decken kann. Am heutigen Freitag, wenn die Gruppe der nuklearen Lieferländer in Wien tagt, um über ein Abkommen mit Indien zu beraten, ist der Physiker seinem Traum wieder etwas näher gekommen. Der Chef der indischen Atomenergiebehörde hatte schon vorher in der Hauptstadt für sein Land antichambriert: Am Mittwoch traf er den Direktor der Internationalen Atombehörde, Mohammed el-Baradei.
Für Indien gilt das Abkommen als wegweisend. Indien wäre damit de facto als Atommacht anerkannt und bekäme Zugang zu moderner Nukleartechnik. Die Regierung hat daher ihren Kopf riskiert und im Parlament die Vertrauensfrage gestellt und das Votum gewonnen. Denn die Kommunisten, die die Regierung bislang von außen unterstützt hatten, hatten aus Protest gegen das Abkommen ihre Mitarbeit aufgekündigt.
Die aufstrebende Wirtschaftsmacht braucht mehr Energie. Doch das rohstoffarme Land verfügt kaum über Öl, Gas oder Uran, und muss seinen Bedarf importieren. Bei nuklearen Brennstoffen stockt die Versorgung aus dem Ausland regelmäßig. Indien ist nicht Mitglied Club der Atommächte. Weil es dennoch Atomwaffen baut und testet und auch den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet hat, wird es seit Jahren geächtet. Es darf offiziell weder Atomanlagen noch nukleare Brennstoffe einkaufen. Die USA haben der 1,1 Milliarden-Nation mit dem Atom-Pakt nun den Weg in die Legalität geebnet. Indien bekommt Zugang zu Atomtechnologie und Uran, ohne den Sperrvertrag zu unterzeichnet.
Ausnahme-Lösung
Doch es soll dafür ein Abkommen mit der Internationalen Atombehörde schließen, in dem es einwilligt, Inspektionen durch die Behörde in Wien zulassen. Damit wäre für Indien eine bislang einmalige Ausnahme vom weltweiten Sperrvertrag geschaffen. Die Chancen stehen gut, dass die Atombehörde einwilligt. Doch die Gruppe der nuklearen Lieferstaaten muss noch den Bann gegen den Export nach Indien aufheben, bevor das Abkommen überhaupt funktionieren kann. Und sie hält sich derweil noch bedeckt, ob sie grünes Licht gibt. Beratungen der 45 Mitglieder zählenden Gruppe sind vertraulich, beschlossen wird einstimmig. Einige europäische Staaten haben Bedenken angemeldet. Noch weniger begeistert sind Pakistan, der Erzfeind Indiens, und China, dem in Indien ein wirtschaftlicher Rivale erwächst.
Doch auch wenn die Verhandlungen in Wien für Indien erfolgreich verlaufen, muss noch der US-Kongress über den Vertrag befinden. Die Zeit drängt, denn die Bush-Administration ist nur noch bis Januar 2009 im Amt. Und Barack Obama und John McCain fordern bereits Nachbesserungen.