200.000 Mann in Bereitschaft. | Moschee 1992 von Hindus zerstört. | Allahabad/Wien. 200.000 Mann an Sicherheitskräfte sind in Nordindien aufmarschiert. Grund für die Sicherheitsmaßnahmen: Ein Urteil des Höchstgerichts von Uttar Pradesh, der bevölkerungsreichsten Provinz Indiens mit 190 Millionen Einwohnern. Befürchtet wurde ein neuer Religionskonflikt zwischen Hindus und Moslems, denn es ging um eine heikle Materie: ein zwischen den beiden Religionen umstrittenes Gelände in der historischen Stadt Ayodhya.
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Der Gerichtshof in der Stadt Allahabad war im Umkreis von 200 Metern abgeriegelt, die Läden ließen die Rollläden herunter, als der Urteilsspruch näher rückte. Premierminister Manmohan Singh rief mehrere Minister zusammen, um die Folgen des Urteils zu beraten.
Ein Blick in die Vergangenheit macht die Besorgnis verständlich: 1992 war die auf diesem Grund befindliche, im 16. Jahrhundert gebaute Babri-Moschee von aufgehetzten Hindus zerstört worden. Die Hindus behaupten, das islamische Gotteshaus sei auf den Ruinen eines Tempels ihrer Religion erbaut worden. Ihrer Überlieferung zufolge wurde an diesem Ort ihr Gott Rama geboren.
Die Folgen der Moschee-Zerstörung waren dramatisch. Es kam zu Ausschreitungen im ganzen Land, etwa 2000 Menschen, die meisten von ihnen Moslems, starben - der schlimmste Fall von religiöser Gewalt seit der Staatsgründung 1947.
Bis zum Gerichtsurteil waren die Ruinen der zerstörten Babri-Moschee, auf denen jetzt ein Hindu-Schrein steht, von einem vier Meter hohen Zaun umgeben und vom Militär bewacht. 2005 waren bewaffnete Muslims in den provisorisch errichteten Hindutempel eingedrungen, fünf Angreifer wurden getötet.
Moslems berufen
Das Gericht hat nun entschieden, dass das Gelände zwischen den beiden Religionen und der hinduistischen Sekte Nirmohi Akhara, die den Platz gleichfalls beanspruchte, gedrittelt werden soll. Der umstrittenste Teil des Geländes, eben der, auf dem der Rama-Schrein steht, soll aber den Hindus zugesprochen worden sein. Zunächst soll für drei Monate allerdings der Status quo aufrechterhalten werden, um die Aufteilung genau festzulegen. Das Höchstgericht setzt sich aus zwei Hindus und einem Moslem zusammen.
Ein Hindu-Vertreter meinte in einer Reaktion, nun sei der Weg fast frei für die Errichtung eines großen Rama-Tempels. Die muslimische Seite will den Richterspruch aber nicht hinnehmen: Ihr Anwalt kündigte Berufung vor dem obersten Bundesgericht an. Man sei aber zu Gesprächen über eine freundschaftliche Lösung des Konflikts bereit.