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Industrie bietet Anteil am Gewinn

Von Veronika Gasser, Baden

Wirtschaft

In die Diskussion um die Arbeitszeitflexibilisierung kommt nun eine Wende. Die Industrie fordert nicht mehr eine Kürzung der Überstundenzuschläge, sondern bietet den Arbeitnehmern einen Teil der Flexibilisierungsgewinne. Weiters sollen Zeitkonten für die berufliche Weiterbildung angelegt werden.


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Wolfgang Welser, Obmann der Sparte Industrie in der Wirtschaftskammer, geht auf die Arbeitnehmer zu. Er selbst führt ein Familienunternehmen für Spezialprofile und weiß, dass die Mitarbeiter mittels Anreizen motiviert werden müssen. Bisher, gibt er am Freitag in Baden zu, sei die Diskussion um die Reduktion der Überstundenzuschläge unglücklich gelaufen. Von Lohnraub, versichert er, könne keine Rede sein. Nach einer Berechnung der Industriellenvereinigung (IV) würde eine Abschaffung der Überstundenzuschläge die Personalkosten um 1 Mrd. Euro senken. IV-Präsident Veit Sorger war damit jedoch auf heftigen Widerstand der Gewerkschaft gestoßen.

Welser versucht die angespannte Situation zwischen den Sozialpartnern zu kalmieren: Vielmehr geht es darum, die Mitarbeiter in auftragsintensiven Perioden länger als bisher einsetzen zu können, damit diese sich während Konjunkturflauten der Weiterbildung widmen oder Zeitausgleich genießen können.

Dieser Vorstoß wird von Wifo-Chef Karl Aiginger begrüßt. Er warnt jedoch zur Vorsicht: Österreich dürfe und könne nicht auf die Billiglohnstrategie setzen. Nur wenn auch die Arbeitnehmer von den Flexibilisierungsgewinnen profitieren, geht die Rechnung auf. Andernfalls würden sich die Mitarbeiter demotiviert innerlich abmelden und keinen Beitrag zu Produktivitätssteigerung leisten. Damit stößt er bei Welser auf offene Ohren. Der Industrielle bietet Gewinnbeteiligung und Vorsorgeleistungen im Gegenzug an. Er nennt es ein Zusatzeinkommen für Erfolge.

Dass die Flexibilisierung den angespannten Arbeitsmarkt entlastet, ist nicht zu erwarten. Es würden kaum neue Arbeitsplätze entstehen, belegt eine jüngste Wifo-Studie. In fünf Jahren hätten maximal 3.000 Arbeitslose die Chance auf neue Jobs.

Die Arbeitszeiten per Gesetz flexibler zu gestalten, davon hält Arbeiterkammer-Direktor Werner Muhm nichts. Es gebe die Möglichkeiten bereits in den Kollektivverträgen und auf betrieblicher Ebene. Österreichs Arbeitnehmer seien weit flexibler als in anderen EU-Staaten. Deutsche und italienische Arbeitnehmer hätten restriktive Kündigungsbestimmungen, während in Österreich pro Jahr 700.000 Arbeitnehmer ihren Job verlieren. Muhm bekräftigte seinen Verdacht, es gehe bei der Diskussion darum, zehnprozentige Lohnsenkungen durchzusetzen: "Wo endet dieser Weg: In der Slowakei mit einem Lohngefälle von 1 zu 6 oder in China?" Sollten die neuen Angebote der Industrie jedoch ernst gemeint sein, so sieht er gute Chancen, dass die Sozialpartner zu einem Ergebnis kommen. Die hofft auch Wirtschaftsminister Martin Bartenstein, der auf eine rasche Lösung drängt. Diese sollte bis Jahresende gefunden werden.

Wettlauf um Arbeitskosten

auch in Deutschland

Auch in Deutschland ist die Diskussion um Löhne und Gehälter entbrannt. Gerhard Schröder warnt vor einem Wettlauf um immer niedrigere Arbeitskosten. Der Standort Deutschland werde im globalen Wettbewerb teurer bleiben als konkurrierende Volkswirtschaften.

Angesichts des weltweiten Wettbewerbs gebe es Forderungen, die Arbeitskosten weiter zu senken, sagte Schröder. "Wollte man das ernst nehmen, landeten wir bei Löhnen wie in China." Davon könne in Deutschland niemandmehr leben.