)
Wer viel zahlt, kann auch vieles fordern. Unter diesem Motto haben sich gerade die Industrievertreter für die Reform der Wirtschaftskammer (WKÖ) stark gemacht. Sie wollen, dass IV und WKÖ näher zusammenrücken, damit nicht mehr doppelte Arbeit geleistet wird.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 23 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die Idee zur Reform der Wirtschaftskammer wurde in der Industriellenvereinigung (IV) geboren, davon sind viele IV-Funktionäre überzeugt. Denn rund ein Drittel der Kammerbeiträge kämen aus diesem Sektor. "Für die Industrie ist es ein schöner Erfolg, dass die Kammer die Sparargumente endlich aufgegriffen hat", betont der in die Reform eingebundene Vertreter der IV-Oberösterreich Kurt Pieslinger. Denn gerade die österreichischen, aber auch die internationalen Konzerne waren über ihre Doppelmitgliedschaft und die -gleisigkeiten der beiden Institutionen nicht erfreut. Sie geben jetzt das Tempo vor. Und so wurde vor zwei Jahren zuerst der IV als freiwilligem Verband eine Rosskur verordnet. Poststelle, EDV sowie die Hausverwaltung wurden ausgelagert. Von mehr als 110 Mitarbeitern wurde auf knapp 60 reduziert. Eine wesentliche Veränderung war, dass das Expertenwissen nicht mehr im Haus der Industrie produziert wird. "Die Detailstudien werden nun vermehrt von außen zugekauft", bestätigt ein IV-Mitarbeiter. Vordergründig konnten dadurch die Personalkosten gesenkt werden, der Aufwand für Expertisen wird allerdings kräftig steigen. Dieser "Rationalisierungsprozess" kam auf Druck der Mitglieder - unter den stärksten Zahlern sind Töchter internationaler Konzerne - zustande. Auch die Akzente wurden neu gesetzt: Arbeitsschwerpunkt ist nicht mehr die reine Interessensvertretung, sondern Lobbying auf heimischem aber auch auf internationalem Parkett.
Nachdem die IV-Reform nahezu ohne öffentliches Aufsehen über die Bühne ging, machte "die Industrie" auch Druck auf die Kammer und fand in Christoph Leitl den geeigneten Partner für ein solches Unterfangen. Die Vorgaben: 30% der Kosten müssen eingespart werden und die Kammer soll stärker als bisher Positionen der Industrie vertreten. Der Rotstift trifft natürlich auch die Sektion, künftig "Sparte" Industrie. "Was soll die Kammer mit welchem Personal- und Sachaufwand erledigen, und was übernimmt besser die IV?" Pieslinger gibt zu, dass der Druck auf die Sparte Industrie sehr groß ist. Derzeit arbeiten in der WKÖ 24 Mitarbeiter, wieviele bleiben, will er noch nicht sagen. Gemunkelt wird, dass gar nur "acht Mannjahre" übrig bleiben. Auch die 22 Fachverbände müssen sich umstrukturieren. Manche werden fusionieren, die kleineren könnten die Sparte Industrie sogar verlassen und ins Gewerbe abwandern. Im Back-Office-Bereich wird künftig stärker zusammengearbeitet. Hier erwartet man ebenso eine Reduktion der Personalkosten. Ein Beratungsunternehmen wurde eingeschaltet, das nun Vorschläge auf den Tisch legt, die ab Februar umgesetzt werden. WKÖ und IV sollen näher zusammenrücken: Arbeitsrecht und Kollektivvertragsverhandlungen bleiben der Kammer. EU-Lobbying, Öffentlichkeitsarbeit und Marketing soll künftig die IV übernehmen.