Zum Hauptinhalt springen

Industrie und Staat

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

In der Wirtschaftsdebatte über die Grenzen der staatlichen Einmischung steht vor allem die Industrie auf der Seite jener, die eher überschaubare Einmischung fordern. Mit oft sehr guten Argumenten. Um allerdings Waffengleichheit herzustellen, sollte sich auch die Industrie eher wenig in den Staat einmischen.

In Deutschland und seiner Automobilindustrie ist das gehörig schiefgegangen. Da gibt es eine deutsche Kanzlerin, die schärfere EU-Abgasvorschriften für Autos in Brüssel mit aller Macht wegwischte. Da gibt es einen ehemaligen CDU-Minister, der nun Cheflobbyist der mächtigen deutschen Autobranche ist. Da gibt es einen Verkehrsminister (CSU), der im Dieselskandal auch nicht mit klaren Ansagen aufgefallen ist.

Und da gibt es die großen drei der Autoindustrie, VW (mit Audi und Porsche), Mercedes und BMW, auf die gemeinsam die Hälfte aller Neuzulassungen in Deutschland entfällt. Und die mit mehr als 200 Milliarden Euro gemeinsam das wertvollste Exportgut der Deutschen stellen.

Und dieser Industrie gefiel es nun, eine wesentliche Stütze des marktwirtschaftlichen Staates, nämlich das Wettbewerbsrecht, zu negieren.

Nun wissen wir nicht, wie die spontane Erstreaktion der deutschen Kanzlerin auf die Enthüllung des "Spiegel" ausgefallen ist, laut denen sich die deutsche Autoindustrie seit den 1990er Jahren klammheimlich abspricht. Besonders industrie-freundlich wird sie nicht gewesen sein.

Der wirklich unerhörte Vorgang - die "Wiener Zeitung" berichtete bereits ausführlich in ihrer Wochenendausgabe - ist ein Affront für wirtschaftsfreundliche Regierungen. Sogar Winfried Kretschmann, der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg (Stuttgart = Mercedes, Porsche), verteidigte die Autoindustrie.

Für sie muss dieses geheime Kartell ein Schlag ins Gesicht sein. Für die Besitzer und Nutzer deutscher Autos ist es ein noch größerer Schlag ins Gesicht. "Freude am Fahren"? "Vorsprung durch Technik"? Wohl eher Freude am Bonus für Manager und Vorsprung durch Verachtung von Marktgesetzen. Diese Art von Markt- und Machtmissbrauch ist angetan, Wohlstand zu vernichten und Innovationen zu sabotieren. VW und Daimler (geschädigt durch das bereits aufgeflogene Lkw-Herstellerkartell) haben vorsichtshalber Selbstanzeigen bei den Wettbewerbsbehörden erstattet. Nun sollten deren Vorstände rasch gehen, still und ohne Millionen-Abfindung.