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Anwendungsfeld für Delikte ist nach Quarantäne-Aus überschaubar. Extremfälle könnten aber Folgen haben.
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Das Aus für die Corona-Quarantäne wird von strafrechtlichen Fragen begleitet. Die §§ 178 und 179 des Strafgesetzbuches stellen nämlich die fahrlässige und vorsätzliche Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten unter Strafe. Sie sind weiter auf Corona-Fälle anwendbar, da Covid-19 eine meldepflichtige Krankheit bleibt. Drohen Infizierten daher Strafen, wenn sie in der Arbeit Kollegen anstecken? Was müssen sie beachten, um sich nicht strafbar zu machen?
Ein begrenztes Anwendungsfeld für die Delikte sieht Alois Birklbauer, Strafrechtler an der Uni Linz. Geht ein Infizierter ohne Symptome in die Arbeit und steckt er dort jemanden an, werde sich daraus keine Gefährdung gemäß §§ 178 und 179 StGB konstruieren lassen. "Der Gesetzgeber erachtet es ja für zulässig, dass ein Infizierter ohne Symptome arbeiten geht", sagt Birklbauer. Eine Gefährdung werde ausdrücklich vom Gesetzgeber toleriert, das Verhalten sei damit sozial adäquat und nicht strafbar.
"Bleibt nicht viel übrig"
Anders ist die Ausgangslage, wenn ein Infizierter trotz Krankheitssymptomen seinen Arbeitsplatz aufsucht und dann jemanden ansteckt. Laut Birklbauer müsse dann aber gefragt werden: "Was sind Krankheitssymptome, sind die objektiv feststellbar oder geht es um eine subjektive Wertung? Manche fühlen sich mit einem Schnupfen nicht krank, andere schon", sagt Birklbauer. In der Praxis werde daher von den Delikten wahrscheinlich vielfach "nicht viel übrig bleiben".
Angewendet werden könnten die Delikte bei Extremfällen. Etwa, wenn jemand positiv auf Corona getestet wurde, sich trotz schweren Fiebers in die Arbeit schleppt, dort keine Maske trägt und seine Kollegen absichtlich anhustet. Auch eine Person, die schwere Symptome hat, jegliche Tests verweigert, keine Beschränkungen einhält und ohne Maske herumläuft, könnte sich strafbar machen. "Das bleibt schon übrig", sagt Strafrechtler Birklbauer.
Cornelia Koller, Präsidentin der österreichischen Staatsanwälte-Vereinigung, erklärt: Solange sich jemand an die Vorgaben der Verordnung zum Quarantäne-Aus hält, sei wohl keine Strafbarkeit gegeben. Denn dann würde man weder fahrlässig handeln noch einen bedingten Vorsatz - der Täter hält es ernstlich für möglich, jemanden anzustecken und findet sich damit ab - haben.
Fall vor dem Höchstgericht
Koller verweist auf eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom Februar 2022. Dabei ging es um eine Frau, die im März 2020 in einem Quarantänegebiet gearbeitet hatte und bei einem Polizeieinsatz bewusst die Beamten anhustete. Ob sie infiziert war, wusste sie zu dem Zeitpunkt nicht. Erst ein wenige Stunden später bei ihr durchgeführter negativer Test brachte Klarheit.
Das Höchstgericht hielt fest, dass keine Gefahr der Verbreitung von Covid-19 gemäß § 178 StGB durch das Husten einer Person besteht, wenn diese nicht mit der Krankheit infiziert ist. Der Anwendungsbereich des Delikts sei dadurch stark eingeschränkt worden, sagt Birklbauer. Das Delikt sei nämlich als abstraktes Gefährdungsdelikt konstruiert: Bei einem solchen würde es für die Strafbarkeit bereits reichen, dass man die Krankheit auch nur theoretisch haben könnte. Diesem Konzept sei der Oberste Gerichtshof allerdings nicht gefolgt: "Die Judikatur ist im Lauf der Zeit mehr und mehr zurückgerudert", sagt der Strafrechtler.