)
Die medizinischen Erkenntnisse erneuern sich ständig. Die Patienten selbst und ihre Angehörigen sind oftmals mit ihrer Krankheit überfordert. Den medizinischen Informationsfluss verbessern wollen Gesundheitsportale im Internet. Die virtuelle Beratung kommt gut an und ist zudem im Sinne der Politik.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 24 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Beipackzettel verlegt? War die Besprechung mit dem Arzt doch zu kurz? Wer kennt diese Situation nicht. Maßgeschneiderte Patienteninformation aus dem Internet gibt es seit einigen Jahren in Europa. Die Arzt-Patienten-Medizin ergänzen - und nicht ersetzen - wollen die Gesundheitsportale. Keine "Cybermedizin", das wäre unseriös, sagt Christian Maté von "Netdoktor.at" im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Im Vordergrund stehe die Vor- und Nachinformation der Patienten: wie auf die Operation vorbereiten, welche Nachkontrollen sind notwendig etc. Grundlage ist die (wissenschaftlich belegte) "Evidence Based Medicine" (EBM). "Quacksalbereien" werden so verhindert. Zudem hat sich Netdoktor den Qualitätsindikatoren der schweizerischen Health On the Net verpflichtet (siehe unten).
Maté, promovierte Mediziner, leitet seit November 1999 Netdoktor.at - eine Tochtefirma des dänischen Portals, das vor zweieinhalb Jahren von dem Mediziner Carl Brandt eingerichtet wurde. Hat doch Brandt in einer in "Lancet" veröffentlichten Studie nachgewiesen, dass Patienten mit derselben Erkrankung nach der Diagnose unterschiedlich weiterleben - je nachdem, welche Informationen sie bekamen. Die an chronisch obstruktiver Bronchitis (COBT) erkrankten Patienten wurden in zwei Gruppen geteilt: Bei einer Gruppe wurde COBT diagnostiziert, bei der anderen Gruppe "Raucherlunge". Die COBT-Patienten lebten ungesünder, weiter rauchend als jene Patienten mit Raucherlunge.
Gesundheitsmanagement
Mit den Mitteln der "Evidence Based Medicine" soll medizinische Information für die Patienten transparent gemacht werden, erklärt Maté den Kerngedanken von Netdoktor. "Information als Teil eines erfolgreichen Gesundheitsmanagements." Das kann den heimischen Gesundheitspolitikern nur recht sein. Geht es nach ihren Vorstellungen, soll die medizinische Information so verbessert werden, dass das teure Krankenversicherungssystem langfristig entlastet wird.
Die Selbstverantwortung der Patienten soll über die Online-Information gestärkt werden. "Ein wirksames Therapeutikum mit geringen Nebenwirkungen", so Maté. Man glaubt ihm, dass er den Informationsauftrag ernst nimmt. Bezeichnet sich der Mediziner doch als "hoffnungsloser Idealist".
Sämtliche Anfragen gelangen bei Netdoktor.at zunächst zu einer Allgemeinmedizinerin. Sie antwortet gleich selbst oder leitet die Fragen an Spezialisten weiter, die mit Netdoktor.at auf Honorarbasis kooperieren. Deren Antwort wird journalistisch nachbearbeitet, so dass sie auf verständliche Weise per E-Mail den Patienten in der Regel innerhalb von zwei bis zehn Tagen erreicht. Die Anfragen sind derzeit noch kostenlos.
Der Erfolg gibt Netdoktor Recht: Sechs Niederlassungen gibt es in Europa (Dänemark, Norwegen, Schweden, Österreich, Deutschland und Großbritannien). Netdoktor.at verzeichnet mittlerweile eine Million Seitenaufrufe pro Monat. Auf einen User kommen 16 "page views" (der Schnitt liegt bei zehn Seiten). Rund 1,6-mal im Monat kehren Interessierte zu Netdoktor.at zurück. Die User bleiben rund zehn Minuten. "Das ist mehr als surfen" und beweise den tatsächlichen Informationsbedarf, sagt Maté. Auch Mediziner selbst (rund 1.500) nützen die (mittels Passwort zugängliche) "ProSite", um durch Wissen aus erster Hand up-to-date zu sein.
Als nächsten Schritt plant Netdoktor.at "Internet-communities" etwa für Schwangere oder Übergewichtige sowie virtuelle Selbsthilfegruppen für Asthma- oder Diabetes-Kranke. Die erste "Community" - zu Depression - startet im Dezember. Ab Ende November wird die Medikamenten-Datenbank von 3.000 auf 5.000 Eintragungen erweitert. In dem "elektronischen Beipackzettel" sind die häufigsten Nebenwirkungen beschrieben. Für Medikamente wird selbstverständlich nicht geworben. Geplant ist ebenfalls ein medizinisch-klinisches Online-Wörterbuch. "Auch das", so Maté, "entspricht unserer Mittlerfunktion."