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Inguschetien versinkt im Terror

Von Ines Scholz

Europaarchiv

Dritter Anschlag binnen drei Wochen. | Islamisten vermutlich Drahtzieher. | Nasran/Wien. Er sollte Stabilität in die von Terror und Staatswillkür geprägte Kaukasusrepublik Inguschetien bringen, am Montag wurde er selbst zum Opfer. Junus-Bek Jewkurow, Präsident der an Tschetschenien grenzenden russischen Teilrepublik, überlebte nur knapp einen Selbstmordanschlag auf seinen Autokonvoi. Sein Fahrer kam ums Leben, nach unbestätigten Meldungen starben auch zwei seiner Leibwächter.


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Die behandelnden Ärzte bezeichneten Jewkurows Zustand als äußerst kritisch. Er habe schwere Kopfverletzungen und Verbrennungen erlitten, zudem seien mehrere innere Organe des 45-jährigen Politikers beschädigt; er sei nicht bei Bewusstsein.

Das Attentat ereignete sich am Morgen auf einer Fernstraße nahe der Stadt Nasran. Ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug steuerte laut Polizei direkt auf den Konvoi des Republikspräsidenten zu und explodierte bei der Kollision. Andere Quellen berichteten, dass der Sprengsatz in einem geparkten Auto deponiert war und detonierte, als die Wagenkolonne passierte. Durch die enorme Wucht - die Bombe hatte eine Sprengkraft von rund 200 Kilogramm TNT - wurden einige umliegende Häuser beschädigt, auf der Straße klaffte ein zwei Meter tiefer Krater.

Bekannt hat sich zu dem Anschlag zunächst niemand, doch dürften Kämpfer des radikal-islamischen Widerstands unter der Führung des Tschetschenen Dokku Umarow hinter der Tat stehen. Umarow, ein Gefolgsmann des 2006 von russischen Sicherheitskräften getöteten tschetschenischen Terrorführers Shamil Bassajew, kämpft für einen vereinten Nordkaukasus unter dem Gesetz der Sharia. In Inguschetien versucht die Gruppe mit spektakulären Anschlägen gegen die von Moskau eingesetzten staatlichen Organe, die Lage zu destabilisieren. Das Attentat auf Jewkurow war bereits das dritte auf einen Politiker in der islamisch dominierten russischen Teilrepublik in den vergangenen drei Wochen. Am 10. Juni wurde die stellvertretende Vorsitzende des Obersten Gerichts erschossen, drei Tage später fiel der ehemalige Vizepremier Baschir Auschew einem Schussattentat zum Opfer.

Sieg für Putin

Der Mordversuch auf Jewkurow ist auch eine Niederlage für den russischen Präsidenten Dmitri Medwedew. Der Kremlführer hatte im Oktober den noch von seinem Vorgänger Wladimir Putin eingesetzten Hardliner Magomed Sjasikow gefeuert und den moderaten Ex-Fallschirmjäger Jewkurow an dessen Stelle gehievt. Grund war die katastrophale Menschenrechtsbilanz Sjazikows, der ähnlich wie Putins Gefolgsmann in Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, versucht hatte, mit Terror und Mord an der Zivilbevölkerung und einem Vernichtungsfeldzug gegen die Opposition dem bewaffneten Widerstand Herr zu werden. Mit dem Resultat, dass sich immer mehr junge Inguscheten den Islamisten-Verbänden angeschlossen hatten.

Jewkurow setzte hingegen auf einen Dialog mit den moderaten Oppositionskräften, traf sich mit Vertretern von Menschenrechtsorganisationen und ließ gegen Mitglieder des Sicherheitsapparates vorgehen, die sich schwerer Menschenrechtsverletzungen schuldig machten. Auch der Korruption, die vor allem in der Verwaltung der ärmsten russischen Teilrepublik grassiert, sagte er den Kampf an. Damit machte er sich Feinde - nicht nur in den Reihen der Islamisten. Moskaus Hardliner jedenfalls werden den Anschlag zum Anlass nehmen, Medwedews moderaten Ansatz im Kaukasus für gescheitert zu erklären.