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Inkonsequenzen des Zeitgeistes

Von Reinhard Heinisch

Reflexionen

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Beinahe täglich konfrontieren uns die Nachrichten mit den Auswüchsen kollektiver Realitätsverweigerung und deren politischen Folgen. Auf dem Syntagma-Platz in Athen versammeln sich Menschen, die sich dem Diktat der Banken und Finanzmärkte nicht beugen wollen.

Dass die Ursache des Problems in den eigenen Schulden, der mangelnden Produktivität und den fehlenden Steuereinnahmen liegt, scheint ihnen ebenso wenig nachvollziehbar zu sein wie der verständliche Wunsch der Kreditgeber, ihre Gelder einmal wiedersehen zu wollen.

Realitätsverweigerung

Im wirtschaftlich wohlhabenden Mittel- und Nordeuropa geht es nicht wesentlich wirklichkeitsnäher zu. Dort verweigerte man viel zu lange eine effektivere Hilfsstrategie für Griechenland, verteuerte auf diese Weise letztlich die von allen zu tragenden Risikozinsen und brachte sukzessive ein Land nach dem anderen in Zahlungsnotstand. Währenddessen tat man so, als ob Griechenland nicht schon längst teilbankrott wäre und als ob es zur nachhaltigen Finanzhilfe Resteuropas eine Alternative gäbe. Schließlich folgte der Höhepunkt der Realitätsverweigerung, als Athen konjunkturfeindliche Sparmaßnahmen auferlegt wurden und allen Ernstes erwartet wurde, die neuen Kredite könnten in Rekordzeit zurückgezahlt und nebenbei die Wirtschaft saniert werden.

Gleichzeitig verabsäumte man, die Menschen in unseren Breiten auf die wirtschaftlichen Notwendigkeiten einzustimmen. Stattdessen ergingen sich Medien und selbst etablierte Politiker wochenlang in populistischen Exkursen über arbeitsunwillige Griechen. Pikanterweise konnte man in den kritischen TV-Berichten aus Athen im Hintergrund immer wieder moderne Gelenkwagenbusse und schnittige Limousinen "made-in-Germany" und indirekt "made-in-Austria" bemerken. Diese hätten uns eigentlich daran erinnern sollen, wie sehr unser aller Wohlstand von unseren Exporten gerade in jene Länder abhängt, die diese Produkte nicht selbst herzustellen vermögen.

Rationaler Selbstschutz

Ebenso offensichtlich ist, dass es nicht zuletzt die eigenen Banken sind, bei denen die zahlungsschwachen Länder in der Kreide stehen. Die dynamischen Wirtschaften borgen Griechenland und anderen Pleitekandidaten Geld, um die eigenen Exporte zu sichern, Arbeitsplätze zu schützen und die eigenen Banken zu retten. Rational sollte zumindest der Selbsterhaltungstrieb die erfolgreicheren Volkswirtschaften, allen voran Deutschland, dazu verpflichten, alles zu tun, um einen Zusammenbruch der gemeinsamen Währung zu verhindern. Die Alternative für ein Land wie Österreich oder Deutschland wäre nämlich, die eigene Wirtschaft nicht wie üblich über den Export anzukurbeln, sondern die hausgemachten Strukturprobleme zu lösen, wie etwa den Konsum zu stimulieren und den Arbeitsmarkt zu flexibilisieren - doch so lange dies politisch und gesellschaftlich unbequem ist, Lohnkosten, Pensionsjahre und das wirtschaftliche Regelwerk samt Öffnungszeiten politisch heilige Kühe bleiben, werden wir zusammen mit unseren nördlichen Nachbarn durch die Exportabhängigkeit in die Wirtschaftsprobleme unserer Abnehmerländer verstrickt sein.

Sündenböcke

Trotz dieser Wirklichkeit spielte die europäische Politik monatelang mit dem Feuer, riskierte eine nachhaltige Erosion des Vertrauens in die gemeinsame Währung und die europäischen Institutionen. Stattdessen zog man es vor, auf amerikanische Ratingagenturen und Spekulanten zu schimpfen, als ob unter normalen Verhältnissen Hedge-Fonds in biedere, niedrigverzinste Regierungsbonds investieren würden. Erst die wirklichkeitsfernen Lösungsansätze und hohlen Versprechen der Politik haben die Spekulanten auf den Plan gerufen. Sie sind allenfalls Symptom, aber nicht Ursache der Krise.

Grundsätzlich müssen bei Wirtschaftsproblemen neuerdings Verschwörungstheorien und Sündenböcke als Erklärungen herhalten. Es ist unschwer zu erkennen, dass die massive Verschuldung der öffentlichen Haushalte beinahe aller westlichen Demokratien eine der Hauptursachen dieser Finanzkrise ist. Ohne diese Schulden hätten die vielzitierten Spekulanten nichts zu spekulieren. Wenn man das jedoch anerkennt, müsste man die hoch entwickelten Sozialsysteme und die negative demografische Entwicklung im immer geburtenschwächeren Europa thematisieren. Politik und Gesellschaft wären gezwungen, über rationale Gegenstrategien wie eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters und verstärkte Immigration nachzudenken. Doch diese Fragen sind politische Tabuthemen und werden von irrationalen Ängsten beherrscht. Es kann nicht sein, was nicht sein darf.

Die Steuerfanatiker

Jenseits des Atlantiks sieht die Lage kaum besser aus. in den USA weigerten sich die Republikaner, anzuerkennen, dass Washington im Durchschnitt über 23,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes an Ausgaben tätigt (3,83 Billionen Dollar), während nur 14,9 Prozent (1,27 Billionen Dollar) an Bundessteuereinnahmen hereinfließen. Da vom Budget lediglich 13,5 Prozent zur Disposition stehen, wo überhaupt gespart werden könnte - der Rest ist quasi gesetzlich fix verbucht und nicht mehr antastbar -, wäre die logische Konsequenz, das Problem einnahmenseitig zu lösen; also endlich die lächerlich geringe Steuerquote vor allem für Superreiche zu erhöhen. Neuerliche Ausgabenkürzungen mitten in der Rezession hatten außerdem eine dämpfende Wirkung auf den schwächelnden Arbeitsmarkt.

Doch was macht die US-Politik? Anstatt zu den ohnehin vergleichsweise moderaten Steuersätzen der boomenden Clinton- und Reaganjahre zurückzukehren, fordert die Rechte weitere drastische Steuersenkungen und Ausgabenkürzungen, mitten in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit. Für die Steuerfanatiker ist selbst das Stopfen von Steuerschlupflöchern für Milliardäre und Großkonzerne ein Tabu, da streicht man über die nächsten 10 Jahre lieber 1,8 Billionen Dollar an Sozialprogrammen und Bildungsausgaben.

Absurderweise ging es beim Streit nicht einmal um neue Ausgaben, sondern nur um die Anpassung des gesetzlich erlaubten Verschuldungsrahmens für das längst beschlossene Budget. Ein Zahlungsausfall wäre für die ohnehin marode US-Wirtschaft und den Rest der Welt katastrophal gewesen. Dennoch meinen viele US-Bürger und Abgeordnete nur achselzuckend, ein reinigendes Gewitter sei einfach notwendig.

Zu dieser krausen Logik, dass es schlechter werden muss, bevor es besser wird, passen auch die bizarr anmutenden Massenversammlungen der Tea-Party-Aktivisten, die oft in seltsamen Kostümen auftreten und Plakate tragen, auf denen Präsident Obama wahlweise als Nazi oder Kommunist beschimpft wird. Johlend fordern ihre Anhänger und Verbündeten im Kongress, den Goldstandard wieder einzuführen, die Zentralbank abzuschaffen, die Bevölkerung durchgehend zu bewaffnen und Steuerleistungen auf mehr oder weniger freiwillige Abgaben zu beschränken. Gleichzeitig bedienen in verschiedenen Medien populistische Kommentatoren diverse Verschwörungstheorien, bezweifelten mitunter die rechtmäßige Staatsbürgerschaft des Präsidenten und warnen vor Säkularismus und Sozialismus.

Keine Aussage scheint zu irrational, als dass sie nicht von Politikern und Medienvertretern lanciert werden würde. Bei der öffentlichen Diskussion um die neue Gesundheitsreform wurden Vergleiche zum Nazi-Holocaust angestellt. Beratende Gespräche zwischen den Angehörigen von Sterbenden und den Ärzten wurden von den Reformgegnern zu "government death panels", also zu einer Art staatlichen Euthanasieprogramm hochstilisiert.

Der unvernünftige und kontraproduktive Umgang mit den Finanzkrisen in Europa und den USA sind nur zwei Beispiele für eine Politik, die oft jeglichen Bezug zu einer allgemein anerkannten Wirklichkeit verloren zu haben scheint. Es geht nicht mehr nur um ideologisch motivierte Interpretationen einer gemeinsam wahrgenommenen Realität; jede Gruppe zimmert sich längst ihre eigene Wirklichkeit. Genauso wie europäische Politiker vermeinen, die Gesetze des Finanzmarktes außer Kraft setzen zu können, glaubt die amerikanische Rechte, Budgetkürzungen und Entlassungen im öffentlichen Sektor wären mitten in der Krise wirtschaftsbelebend. Tatsachen, die das Gegenteil belegen, sind unangenehme Störfaktoren, wofür die Sündenböcke gefunden werden müssen.

Das Faktische hat seine autoritative Wirkung verloren. Selbst wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse, untadelige Institutionen und Experten werden als ideologische Gegner wahrgenommen, die es zu vernichten gilt, wenn deren Meinung der eigenen Weltanschauung widerspricht. Aufrufe des Internationalen Währungsfonds zur Beilegung der US-Schuldenkrise werden ebenso mit Verachtung gestraft wie das Klimakonzil der Vereinten Nationen und dessen Warnungen vor der Erderwärmung. Auch hier kann nicht sein, was nicht sein darf. Es sind keineswegs nur radikale Randgruppen, sondern breite, in den Mainstream reichende Bevölkerungsschichten und ihre politischen Vertreter, die sich dieser Politik verschrieben haben.

Ein realitätsferner Umgang mit technologischem Fortschritt und wissenschaftlichen Erkenntnissen ist auch in unseren Breiten gang und gäbe. Gerade Österreich ist ein Land, in dem aller wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Trotz nicht wenige Menschen das Rauchen als romantisches Laster, aber die Gentechnologie als todbringendes Übel betrachten. Es verwundert daher kaum, dass Entscheidungen über die langfristige Sicherung der Energieversorgung in Mitteleuropa unter dem Momenteindruck einer Erdbeben- und Tsunamikatastrophe im tausende Kilometer entfernten Japan getroffen wurde. Natürlich gibt es gute Gründe, aus der Atomkraft aussteigen zu wollen, und ebenso selbstverständlich sollte der Ausbau erneuerbarer Energien Priorität haben, nur können nach heutigen Erkenntnissen diese neuen Energieträger weder in Deutschland noch weltweit jene verlässlichen Grunddauerkapazitäten erbringen, die zur nachhaltigen Aufrechterhaltung des Netzes notwendig sind. Alternativen wie fossile Brennstoffe führen nachweislich zu weiterer Klimaerwärmung und erhöhen die ohnehin bereits exorbitant hohen schadstoffinduzierten Atemwegserkrankungen und Krebsfälle. (Die Erpressbarkeit durch Rohstoffdiktaturen und die Abhängigkeit von der Willkür diverser Potentaten von Putin bis Chavez sind hier noch gar nicht mitberücksichtigt.)

Totschlagargumente

Wer diese Argumente vorbringt, sieht sich mit Totschlagargumenten konfrontiert: Unvermeidlich ist der Hinweis auf die Atomlobby und die Profitgier der Konzerne, als ob die Sachargumente dadurch aufgehoben würden. Eine vernünftige Abwägung der Argumente sowie eine nachvollziehbare Darstellung von Kosten und Nutzen diverser Lösungen scheinen den Kindern der europäischen Aufklärung heute ein Ding der Unmöglichkeit zu sein.

Der neue Irrationalismus äußert sich in großen und kleinen Widersprüchen in unserer Gesellschaft: es ist schick, allenthalben mit dem Fortschritt zu hadern, dies aber auf Blogs, Tweets, Postings, Facebook und anderen Mitteln der modernen Kommunikationstechnologie mitzuteilen. Kristalle, Mondkalender, Magnetismus, Atlantis, Engelbegeisterte, Lichtarbeiter und dergleichen sind ebenso Kennzeichen dieses Phänomens wie die überspitzten Auswirkungen der Biowelle und Alternativmedizin und die überall sich ausbreitenden Formen des politischen Populismus. Die Schulmedizin vollbringt zwar täglich Wunder des medizinischen Fortschritts, wird aber dennoch mehr angefeindet als je zuvor. Impfkampagnen, noch bis in die 70er Jahre Routine, werden zu emotionalen Glaubenskriegen.

Auch die Welternährungsproblematik glaubt man einfach auf Basis des lokalen Biobauerntums und der heimischen Nahversorgung lösen zu können. Gegenteiligen Analysen oder Vorschlägen internationaler Experten und Institutionen werden pauschal unlautere Motive unterstellt. Demnach arbeiten tausende Wissenschafter in diesen Institutionen offenbar nur als kooptierte Spießgesellen oder nützliche Idioten eines weltweiten Ausbeutungssystems.

Kritische Skepsis

Natürlich soll man mächtigen Institutionen mit kritischer Skepsis begegnen, denn Interessen spielen überall eine wichtige Rolle. Das bedeutet jedoch nicht, dass diese zentral gelenkt sind oder einer einheitlichen systemischen Logik gehorchen. Interessen können sich auch gegenseitig blockieren oder unbeabsichtigte Konsequenzen haben. In der Regel lässt sich der Verlauf der Dinge recht plausibel mit dem kollektiven Verhalten von uns allen erklären. Wenn plötzlich 200 Millionen Menschen zu Smartphones greifen, die Mehrheit der US-Amerikaner und Iren glaubt, Grundstückspreise können nur nach oben klettern, oder hundert Millionen Ostasiaten aufgrund des gestiegenen Wohlstandes ihre Ernährungsgewohnheiten umstellen, dann ergeben sich daraus Konsequenzen für die Wirtschaft, den Finanzmarkt, die Rohstoffgewinnung, den Energiebedarf und die Nahrungsmittelversorgung.

Die Widersprüche fallen nicht mehr auf. Je größer der eigene Carbon-Footprint ist, und je abhängiger man von globalen Netzwerken wird, desto mehr meint man sich abkoppeln zu können. Geschimpft wird auf ein "System", aus dem man sich dennoch ständig bedient. Somit ist die Bio-Esoterik-Verschwörungslogik in ein neues Biedermeier eingebettet, in dem man sich vor der komplexen Welt ins Private zurückzieht, dabei aber auf iPhone und iPad, Internet, Plasma-TV und GPS ebenso wenig verzichten will, wie im Fall des Falles auf die künstliche Herzklappe und die neue Hüfte.

Vier Faktoren tragen zur Verbreitung des neuen Irrationalismus bei: Erstens geht die aktuelle Systemkritik beinahe immer von einer idealen Welt aus, in der es nur Vorteile und keine Kosten zu geben scheint. Dort existieren von Geisterhand eingerichtete Labore, in denen vom Humanismus beseelte Forscher am laufenden Band neue Medikamente und Erfindungen liefern; ganz ohne Finanzmärkte, Investoren und Konzerne, die etwa das Risiko und die Entwicklungskosten tragen. In dieser Welt sind die Einkommen gerecht verteilt und akademische Spitzenleistungen finden in Gratisuniversitäten ohne Selektionsverfahren statt. Pensionskosten konkurrieren nicht mit Bildungsbudgets. Windräder und Kleinkraftwerke liefern den Strom für ganze Industriegesellschaften und selbstlose Politiker kümmern sich mit Hingabe um die Anliegen der Bürger. Diese wiederum scheinen praktischerweise alle die gleichen Interessen zu haben. Es ist eine Welt mit viel Freizeit, Vollbeschäftigung, hoher sozialer Vorsorge, aber geringen Kosten.

Da die Realität zwangsweise immer schlechter abschneidet als dieses Ideal, müssen Schuldige gefunden werden, und diese werden in Europa in Form von Lobbys, Konzernen, Spekulanten und Immigranten, in den USA am Beispiel von Gewerkschaften und Bürokraten auch medial vorgeführt.

Zweitens fehlt ein echtes Kostenbewusstsein vor allem für öffentliche Dienstleistungen wie Bildung, Gesundheit, Soziales, aber auch für Regulierungsmaßnahmen und in den USA auch für die Flut an Gerichtsverfahren.

Drittens steigt überall im Westen das individuelle Anspruchsdenken gegenüber der Gesellschaft ebenso wie die Erwartungshaltung gegenüber dem Staat. Technische Perfektion und systemische Beherrschbarkeit der Dinge werden heute vorausgesetzt, wobei noch vor wenigen Jahrzehnten eine längere Autofahrt bereits ein offenes Abenteuer war. Stellt sich heute ein menschliches oder technisches Versagen ein, werden dahinter unweigerlich tiefere Zusammenhänge oder unlautere Absichten vermutet.

Viertens sind die auf Verkaufszahlen angewiesenen Medien heute in viel größerem Maß als früher bereit, populäre oder populistische Meinungen zu bedienen. Im Fernsehen auftretende Experten sind vielfach nicht die in ihren Fachkreisen anerkannten, sondern die buntesten Vögel mit den deftigsten Aussagen. Aus einem falsch verstandenen Gleichheitsdenken und mangelnder Recherche geben Medien allen möglichen Meinungen Raum, seien sie auch noch so unfundiert. Dabei wird paradoxerweise gerade mit der Zunahme der Komplexität der Systeme die Wahrnehmung des Einzelnen immer beschränkter. Es mag sein, dass die heutige Welt in ihrer Komplexität für uns alle nicht mehr als solche fassbar ist, was den Hang zur übernatürlichen oder verschwörerischen Ursachenforschung erklären würde.

Versachlichung als Ziel

Dennoch geht es hier nicht darum, zu einer elitenzentrierten Politik der technokratischen Lenkung zurückzukehren. Vielmehr muss versucht werden, die komplexen Zusammenhänge und realen Konsequenzen von politischen Entscheidungen und gesellschaftlichen Entwicklungen den Menschen so zu vermitteln, dass diese selbst informierte Entscheidungen treffen können. Es ist ja gerade die Uninformiertheit der Menschen, mit der sich die öffentliche Meinung durch mächtige Interessen manipulieren lässt. Entscheidend ist eine Versachlichung und Entemotionalisierung der heutigen Grundsatzdebatten, denn hinter allen Meinungen lauert dennoch eine materielle Wirklichkeit mit ihren Gesetzmäßigkeiten; an diesen zerbrechen dann, siehe Griechenland, die schönsten Wunschgebäude. Es sind nicht die wahnsinnigen Einzeltäter, die unsere Gesellschaften in ihrer Existenz bedrohen, sondern weitverbreitete, auf Einbildungskraft und Emotionen aufgebaute, uninformierte Annahmen über die Welt, in der wir leben.

Reinhard Heinisch geboren 1963 in Klagenfurt, war viele Jahre lang Professor für Political Science an der University of Pittsburgh und ist seit 2009 Professor für Politikwissenschaft an der Universität Salzburg.