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Inländer bevorzugt

Von Clemens Neuhold

Politik
Dreimal die Seestadt Aspern (10.000 Wohnungen) soll die Wohnbauoffensive bringen. Stanislav Jenis

Regierung stellt Finanzierung für 6000 neue Wohnungen pro Jahr auf. Das soll 20.000 - vorrangig inländische Jobs - schaffen.


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Wien. Die Arbeitslosigkeit nähert sich der 500.000-Marke. Die massive Lohnsteuersenkung ab 2016 in der Höhe von fünf Milliarden Euro soll zwar die Kauflaune der Österreicher anregen und die Wirtschaft beflügeln. Doch das schafft allerhöchstens 20.000 neue Jobs, wie der Chef des Arbeitsmarktservice (AMS), Johannes Kopf, in der "Wiener Zeitung" erklärte. Die Jobs sollen vorwiegend im Handel entstehen.

Einen starken Effekt auf Arbeitsmarkt und Wirtschaft haben Investitionen in die Bauwirtschaft, weil nicht nur Baufirmen, sondern auch Zulieferer wie Monteure oder der Möbelhandel davon profitieren. Deswegen hat die Regierung bei ihrer Klausur in Krems ein Wohnbaupaket fertiggeschnürt. Damit sollen bis 2022 jährlich 6000 neue Wohnungen für rund 70.000 Bewohner gebaut werden, und zwar vor allem in Ballungsräumen wie Wien, Graz, Salzburg, Linz oder Innsbruck. Auch in den "Speckgürteln" rund um diese regionalen Zentren sollen mehrgeschoßige Wohnbauten entstehen, die das Angebot erhöhen und dadurch die Mietpreise wieder dämpfen.

Das eigentliche Vehikel zur Ankurbelung des Wohnbaus, die Wohnbauförderung, soll im Gegenzug wieder von den Ländern "zweckgewidmet" werden. Bisher bekamen die Länder das Geld nur überwiesen und machten damit, was sie wollten. Die Wohnbauförderung selbst könnte dann wieder verstärkt für ihren eigentlichen Zweck, nämlich soziale Wohnungen, verwendet werden, sagt Karl Wurm, Obmann des Verbandes der gemeinnützigen Wohnbauträger. Wermutstropfen: Bis Grundstücke gefunden, Genehmigungen eingeholt und Einsprüche abgewehrt sind, kann es locker vier Jahre dauern, sagt Wurm.

Aus Sicht der Arbeitslosen könnte das Paket zu spät kommen. Eigentlich hätte die eine oder andere Gleichenfeier bereits steigen können. 2013 ging der Bauriese Alpine pleite und die Regierung kündigte zur Beruhigung der Bevölkerung das "Wohnbaupaket" zum ersten Mal groß an. Doch es blieb bis heute ein Papiertiger, denn die Länder holten die Mittel kaum ab.

Der Grund: Ein großer Wohnpark ohne Straße, Kanal und Kindergarten würde einer Geisterstadt gleichen. Die Länder konnten sich die nötige Infrastruktur aber nicht leisten. Über die neue Wohnbauinvestitionsbank sollen nun 750 Millionen der 6,5 Milliarden Euro auch in diese Infrastruktur fließen dürfen. Einige Projekte haben die Wohnbauträger bereits in der Schublade, die nur daran scheiterten und sofort gestartet werden können - und entsprechend früher neue Arbeitsplätze bringen.

Entworfen wurde das Paket von der Bau-Wirtschaft und Bau-Gewerkschaft. Gewerkschaftsboss Josef Muchitsch jubelt über das Paket und hofft auf einen deutlichen Jobeffekt. Er legt aber Wert darauf, dass es ein "österreichisches und kein europäisches Arbeitsmarkt-Paket" wird. Was er meint: Die neuen Investitionen sollen hauptsächlich inländischen Arbeitnehmern zugutekommen. Die Gewerkschaft ist in diesem Punkt in den vergangenen Jahren sehr sensibel geworden, weil, wie Muchitsch meint, bereits ein Drittel der Bau-Arbeitskräfte aus Nachbarländern komme, und zwar vorwiegend aus Ungarn. Muchitsch warnte wiederholt vor einem "eindeutigen Verdrängungswettbewerb" etablierter Arbeiter durch "neue, junge, billige" Arbeiter aus neuen EU-Ländern.

"Rumänische und bulgarische Maurer wohnen in ungarischen Arbeiterquartieren an der österreichischen Grenze und werden in ,Partien‘ von dortigen Leiharbeitsfirmen auf heimische Baustellen entsandt. Nach ungarischem Sozialrecht sind die Lohnnebenkosten wesentlich günstiger, deswegen können sie billiger arbeiten", umriss er das "natürliche Lohndumping".

Unter Druck kommt weniger Walter S., sondern eher Goran M. Muchitsch: "Ausländer verdrängen Ausländer. Früher verdrängten Polen und Ungarn die Türken und Ex-Jugoslawen. Jetzt kommen Rumänen und Bulgaren dazu."

Die ausländische Job-Konkurrenz arbeitet legal, halblegal aber auch illegal. Durch die Praxis von Baufirmen, Subfirmen werken zu lassen, die wiederum eigene Subfirmen beschäftigen, fällt der Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping schwer. Deswegen will die Regierung parallel zum Wohnbaupaket die Ausschreibungsregeln ändern.

Ausländische Firmen zu diskriminieren, geht nicht. Denn das würde gegen EU-Recht verstoßen. Die Regierung kann von Firmen aber verlangen, dass sie ihre Subunternehmen vor Auftragsvergabe bekanntgeben und über jede Änderung informieren müssen. Außerdem soll für gewisse Aufträge nicht mehr nur der beste Preis zählen, sondern auch die Qualität der Mitarbeiter, Umweltbelastung oder Zahl älterer Mitarbeiter. Auch wenn es niemand laut sagt: Die Änderung wird es Gemeinden, Ländern und Bund erleichtern, inländische Firmen und ihre Arbeitskräfte zu bevorzugen.

Den Schuldenstand der Republik, der unter strenger Beobachtung der EU-Budgetwächter steht, erhöht das Wohnbaupaket übrigens nicht. Denn der Bund garantiert für 500 Millionen Euro. Das wirkt wie ein Hebel und soll die Milliardeninvestitionen auslösen. Denn die Haftungen, die sich die Wohnbauträger abholen, erleichtern und verbilligen deren Kreditaufnahme für die Neubauten.

Neben der Wohnbauoffensive will die Regierung mit einer Reform bei den gemeinnützigen Stiftungen neues Geld für Wirtschaft, Forschung, Kultur auftreiben. Sie sollen so einfach wie ein Verein zu gründen sein. Zudem soll die Absetzbarkeit von Spenden an solche Stiftungen ausgeweitet werden. Staatssekretär Harald Mahrer erhofft sich bis 2030 eine Verfünffachung der derzeit 200 gemeinnützigen Stiftungen und eine frische Milliarde.

Im Forschungsbereich werden neue Anreize für internationale Wissenschafter gesetzt. Geschaffen wird ein pauschaler Zuzugsfreibetrag, der den Mehraufwand etwa für den Besuch von Sprachkursen aber auch einen durch den Zuzug erwachsenen Steuernachteil ausgleichen soll. Die Forschungsprämie steigt von zehn auf zwölf Prozent. Gesetzlich etabliert wird Crowdfunding. Erst ab 100.000 Euro braucht es ein Informationsblatt, ab 1,5 Millionen besteht eine Prospektpflicht light, ab fünf Millionen eine volle Prospektpflicht. Ein Investor kann pro Projekt maximal 5000 Euro pro Jahr investieren. Verfügt er über ein Monatseinkommen von mehr als 2500 Euro, kann aber das Zweifache dieses Bezugs investiert werden.

Geschaffen werden 18 neue Lehrberufe, etwa der Rezeptionist. Weitere neue Module sind z. B. Medizingerätetechnik und Robotik.

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