Zum Hauptinhalt springen

Innenminister auch Reibebaum für Grüne

Von Karl Ettinger

Politik

Karl Nehammer im Nationalrat im Kreuzfeuer wegen Corona-Demonstration und Fehlern vor dem Terroranschlag.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 3 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Der Innenminister hat zwar schon eine Bewertung des Verhaltens der Exekutive bei der Kundgebung tausender Gegner der Corona-Maßnahmen bis hin zu weit Rechtsaußen vom Wochenende angeordnet. Das bewahrte Karl Nehammer (ÖVP) im Nationalrat aber nicht davor, dass er selbst vom grünen Koalitionspartner Unmut einstecken musste. Der grüne Nationalratsabgeordnete Georg Bürstmayr nahm den türkisen Ressortchef in die Pflicht und stieß sich daran, dass auch rechtsextreme Kreise ungehindert an der Demonstration der laut Polizei mehr als 10.000 Teilnehmer mitmarschieren konnten. Dem grünen Abgeordneten schmeckte das überhaupt nicht. Unter den Demonstranten waren laut Polizeiangaben auch der Sprecher der rechten Identitären Bewegung, Martin Sellner, und der mehrfach verurteilte Neonazi Gottfried Küssel.

Die Gelegenheit, dass Bürstmayr sein deutliches Unbehagen darüber zum Ausdruck bringen konnte und der Innenminister dafür als Reibebaum herhalten musste, bot ungewöhnlicherweise eine Europastunde im Nationalrat. Dort brachte die SPÖ ihre scharfen Geschosse wegen der Vorgänge im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismus, kurz BVT, und damit gegen den ÖVP-Innenminister in Stellung, indem sie den Vertrauensverlust der heimischen Verfassungsschützer bei ausländischen Nachrichtendiensten zum Thema machte. Auch in diesem Zusammenhang ließ Bürstmayr als Vertreter einer Regierungspartei aufhorchen. Schließlich machte der grüne Mandatar gar kein Hehl daraus, dass er gesetzliche Verschärfungen für die Verfassungsschützer für weniger wichtig hielt als fähigeres Personal bei der Terrorismusbekämpfung. ÖVP und Grüne haben ein Anti-Terror-Paket vorgelegt. Damit nahm er auch unüberhörbar Bezug auf Pannen des Verfassungsschutzes bei der Überwachung des islamistischen Attentäters im Vorfeld des Wiener Terroranschlags am 2. November, bei dem vier Zivilpersonen getötet worden sind.

Auch ein Zwischenbericht der von der Regierung eingesetzten Untersuchungskommission mit Experten hat unmittelbar vor Weihnachten krasse Fehler vor allem im Sommer des Vorjahres beim Verfassungsschutz angeprangert. Allerdings ging die Kommission nicht so weit, einen kausalen Zusammenhang zwischen Pannen und der Möglichkeit der Verhinderung des blutigen Anschlags herzustellen. Der Innenminister war aber seither zum Bericht öffentlich praktisch abgetaucht. Am Mittwoch nahm ihn deswegen die SPÖ bewusst unter Beschuss im Nationalrat.

Nehammer bemühte sich, den Spieß umzudrehen und ausdrücklich für die Reform des BVT auch bei der Opposition zu werben: "Ich bitte um Geschlossenheit bei der Reform." Denn der Verfassungsschutz solle "kein politischer Spielball" sein. Für den Innenminister befindet sich die türkis-grüne Koalition bei den Verhandlungen bereits in der finalen Phase.

"Müssen wachsam sein"

Der Minister gab sich einsichtig: "Es ist unbestritten, dass die Schutzmauer der Republik Risse bekommen hat." Er ließ keinen Zweifel aufkommen, in welche Richtung die Neustrukturierung beim Verfassungsschutz gehen soll. Er strebt zwei Säulen an mit einem Nachrichtendienst zur Aufklärung in Kooperation mit ausländischen Geheimdiensten und eine Staatspolizei zur Gefahrenabwehr im Inland. Vor allem Informationsverluste sollen künftig vermieden werden.

Gefahren sieht der Innenminister durch dschihadistischen Terror ebenso wie durch rechtsextreme Aktivitäten, wie jüngste Waffenfunde gezeigt hätten. "Das heißt, wir müssen wachsam sein", warnte er. Zugleich nahm er die Verfassungsschützer nach der Kritik wegen der Fehlleistungen vor dem Terroranschlag in Schutz: "Es gibt keine Organisation, in der Menschen arbeiten, wo keine Fehler passieren", betonte er. Wichtig sei aber vor allem, dass Fehler "nicht wiederholt" werden. Den Verfassungsschützern war im Bericht der Untersuchungskommission vorgehalten worden, dass die höhere Risikoeinstufung des späteren Attentäters zu spät erfolgt sei und dass er nach einem gescheiterten Waffenkauf trotz Informationen aus der Slowakei nach seiner bedingten Haftentlassung im Dezember 2019 nicht wieder observiert wurde.

Hier hakte auch SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner ein, da der Zwischenbericht der Kommission ein "vernichtendes Ergebnis" erbracht habe. Bis Ende Jänner wird der Endbericht erwartet. Der SPÖ-Redner kreidete dem Innenminister an, dass dieser seit einem Jahr im Amt sei, aber die BVT-Reform stocke: "Wir sind keinen Schritt weiter." Das wies Nehammer jedoch zurück: mit der Neuregelung bei der Ausbildung und durch eine anonymisierte Erstauswahl mit Sicherheitsprüfungen seien bereits Reformschritte umgesetzt worden.

"Staatsschutz, der keiner ist"

"Ein Staatsschutz, der in Wahrheit keiner ist", lautete der Befund von Neos-Mandatarin Stephanie Krisper. Dieser zeichne sich durch eine "verkorkste Behördenstruktur" und einen "katastrophalen" Personalstand im Bereich der Extremismusbekämpfung aus. Die persönliche Verantwortung dafür liege beim Innenminister. Für die FPÖ sah Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer durch die Untersuchungskommission Fehler vor dem Wiener Terroranschlag bestätigt. Die ÖVP gibt seit langem Ex-Innenminister Herbert Kickl, der nunmehr FPÖ-Klubobmann ist, die Hauptschuld an dem schlechten Zustand des Verfassungsschutzes. Das ließ die Opposition der ÖVP so aber nicht durchgehen, weil diese kein Problem gesehen habe, solange Kickl in der türkis-blauen Bundesregierung Innenminister war.

Im Nationalrat wurde anschließend das Bundesministeriengesetz geändert. Damit ist nach der Neubestellung von Martin Kocher zum Arbeitsminister und Nachfolger von Christine Aschbacher nun die bisherige Integrations- und Frauenministerin Susanne Raab offiziell auch Familienministerin. Die Neos wollten am Mittwochnachmittag Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) mit einem dringlichen Antrag zu weiteren Steuerstundungen für Betriebe wegen der Corona-Krise drängen.