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Innenministerium: Karadzic war in Wien

Von WZ Online

Europaarchiv

Auslieferung nach Den Haag ist im Gange | Der jahrelang international gesuchte serbische Kriegsverbrecher Radovan Karadzic hat sich erst im vergangenen Jahr auch in Wien aufgehalten - und ist dabei sogar in Kontakt mit der Anti-Terroreinheit Cobra gekommen.


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Entsprechende Artikel der Kronen-Zeitung und im Kurier bestätigte der Sprecher des Innenministeriums, Rudolf Gollia, am Freitagabend.

Am Samstag präsentierte die Nachrichtenagentur APA zwei Serbinnen, die aussagten, sie hätten Karadzic im vergangenen jahr am Meiselmarkt gesehen.

Prozess mit niederländischem Richter

Der niederländische Richter Alphons Orie wird zunächst die Verantwortung für den Prozess gegen den ehemaligen Präsidenten der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, übernehmen. Der Präsident des UN-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag, Fausto Pocar, wies den Fall der Ersten Strafkammer zu, deren Vorsitzender Orie ist. Der niederländische Jurist muss nun entscheiden, welche Richter seiner Kammer das Verfahren übernehmen.

Bald nach seiner Ankunft in Den Haag, mit im Laufe der Woche gerechnet wird, muss Karadzic erstmals einem Richter gegenübergestellt werden. Er hat dann bereits die Gelegenheit, auf schuldig oder nicht schuldig zu plädieren. Damit kann er aber auch 30 Tage warten. Orie kann diese erste Prozesshandlung selbst übernehmen oder einen Kollegen damit beauftragen.

Die Richter des Tribunals bilden drei Strafkammern und eine Revisionskammer. Orie führt zur Zeit den Prozess gegen den kroatischen General Ante Gotovina, angeklagt wegen Kriegsverbrechen gegen Serben. Gotovina gehörte ebenfalls zu den meistgesuchten Angeklagten des Tribunals, bis er im Dezember 2005 auf Teneriffa verhaftet wurde.

Im April sprach die Erste Strafkammer unter Ories Vorsitz in einem aufsehenerregenden Urteil den Kosovo-Albaner Ramush Haradinaj frei. Das Gericht fand, dass die Anklage ihre Vorwürfe gegen den ehemaligen Milizenchef nicht beweisen konnte, kritisierte aber ausdrücklich, dass Belastungszeugen in diesem Verfahren offenbar unter Druck standen.

Serben wollen keine Auslieferung

Eine große Mehrheit der Serben (70 Prozent) unterstützt zwar die Kooperation Belgrads mit dem UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen in Ex-Jugoslawien (ICTY), allerdings sind 54 Prozent gegen die Auslieferung des am Montag festgenommenen bosnisch-serbischen Ex-Präsidenten Radovan Karadzic. 43 Prozent der Befragten bei einer am Freitag in Belgrad veröffentlichten Meinungsumfrage sind für die Überstellung Karadzics an das Haager Tribunal.

42 Prozent der rund 1.000 Befragten betrachten Karadzic weder als Kriegsverbrecher noch als Helden, zeigte die Umfrage der Belgrader Meinungsforschungsagentur "Strategic Marketing". Für ein Drittel ist er ein nationaler Held, 17 Prozent sehen in ihm einen Kriegsverbrecher. Eine klare Mehrheit von 86 Prozent der Serben haltet das UN-Gericht für "voreingenommen" und "serbenfeindlich".

(APA)