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Innenpolitik am Hindukusch

Von Walter Hämmerle

Leitartikel

Was, zum Teufel, hat der Westen in Afghanistan zu schaffen? Dieses Land im Nirgendwo des Hindukusch mit seinen archaischen Gesellschaftsstrukturen, an dem schon seit Jahrtausenden alle Eroberungsversuche abzuprallen scheinen, wie uns die Kommentatoren dieser Tage wieder einmal in Erinnerung rufen.


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Geht es nach den Wählern in Europa und den USA, so lautet die Antwort mit überwältigender Mehrheit: gar nichts. Die Unterstützung für die internationale Mission in und für Afghanistan schmilzt schneller als Eis unter der Frühjahrssonne. Den Kampf um die öffentliche Unterstützung haben die westlichen Regierungen längst verloren. In ihrer Not debattierten sie deshalb bei der Afghanistan-Konferenz in London umso lauter über Rückzugsszenarien versehen mit mehr oder weniger fixen Termintabellen.

Das ist in erster Linie eine Botschaft fürs Heimpublikum; dass es gleichzeitig die beste Motivationsspritze für den harten Kern der Taliban ist, den Kampf fortzusetzen, nehmen manche Staatenlenker offenbar billigend in Kauf. In jedem steckt schließlich ein innenpolitischer Opportunist.

Bei all dem abgedroschenen Gerede über "den verlorenen Krieg", ein "zweites Vietnam" oder den "Friedhof der Imperien" geht verloren, warum der Westen überhaupt in das Land am Hindukusch ging: Um islamistischen Terroristen nicht noch einmal einen sicheren Rückzugs- und Operationsraum für ihren Krieg gegen die westliche Zivilisation - und längst nicht nur gegen die USA - zu bieten. Afghanistan wieder sich selbst zu überlassen hieße, ein zweites 9/11 in Kauf zu nehmen.

In Afghanistan geht es nicht darum, einen Krieg zu gewinnen. Es geht darum, einem Land und seinen Menschen eine Zukunftsperspektive zu bieten. Wer da von westlichem Imperialismus oder gar einem anti-islamischen Kreuzzug faselt, hat sich schlicht in der Zeit um einige Jahrzehnte und Jahrhunderte vertan.

Der Westen darf am Hindukusch keine potemkinschen Dörfer hinterlassen und auf einen schnellen Abzug schielen. Die Versuchung dafür ist bei vielen Regierungen groß, die innenpolitisch unter Druck sind. Die Folgen wären fatal.