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Innere Uhr als Taktgeber

Von Alexandra Grass

Wissen

Umstellung auf Sommerzeit in der Nacht auf Sonntag stört unseren Rhythmus.


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Wien. Wenn in der Nacht von Samstag auf Sonntag die Uhren um eine Stunde auf Sommerzeit vorgestellt werden, bringt das der inneren Uhr des Menschen einen kurzen, aber hausgemachten Jetlag. Denn jedes Leben läuft nach seinem individuellen Rhythmus - Störungen der Zyklen bringen uns schnell aus dem Takt. Körperliche und emotionale Probleme können die Folge sein, berichten US-Molekularbiologen der Universität Michigan in "Science".

Glücklicherweise ist die innere Uhr jedoch in gewissem Maße flexibel und unterstützt Organismen dabei, sich an tägliche Zyklen der Umgebung anzupassen. Dafür sorgen neuronale Interaktionen, die offenbar komplexer sind als ursprünglich gedacht, so die Forscher. Den Untersuchungen zufolge dürfte das Netzwerk aus vielen kleinen molekularen Uhren bestehen, die durch Neuronen in Verbindung stehen.

Die Forscher untersuchten das neuronale Netzwerk der Taufliege. Drosophila melanogaster, einer der wichtigsten Modellorganismen in der klassischen Genetik. Auch sie verfügt über eine solche innere Uhr. Dieses sogenannte circadiane System, funktionell jenem von Säugetieren ähnlich, regelt unter anderem metabolische Prozesse, die Entwicklung sowie das Verhalten.

Mit nur 150 Neuronen ist die innere Uhr der Taufliege viel einfacher ausgestattet als jene der Menschen. Bisher wurde jedoch angenommen, dass eine Gruppe von nur acht Neuronen als Taktgeber fungiert. Interaktionen zwischen den entsprechenden Neuronen bestimmen die Stärke und Geschwindigkeit der circadianen Rhythmen. Änderten die Forscher die Taktraten der acht vermuteten Schrittmacher genetisch, konnten sie untersuchen, wie gut der Dirigent das Orchester alleine dirigiert. Sie fanden heraus, dass Umweltreize hier einen wichtigen Beitrag leisten und anstelle einer Schrittmachergruppe viele unabhängige kleine Uhren ihre Arbeit im Sinne des Ganzen verrichten.

Britische Forscher der Universität Manchester haben des Weiteren ein Enzym entdeckt, das die innere Uhr neu stellt, damit diese sich
an umweltbedingte Veränderungen im Tag-Nacht-Rhythmus anpasst. CK1-Epsilon hilft uns etwa dabei, mit Langsteckenflügen oder Schichtarbeit besser zurechtzukommen. Ein besseres Verständnis des circadianen Mechanismus soll helfen, nachteilige Auswirkungen auf den Organismus zu lindern oder zu vermeiden. Denn kommt die innere Uhr, etwa durch Schichtarbeit, regelmäßig aus dem Gleichgewicht, können Diabetes, Übergewicht, Herzerkrankungen oder Krebs die Folge sein. Die Weltgesundheitsorganisation WHO stuft nachhaltige Störungen des circadianen Systems und ultraviolette Strahlung sogar gleichwertig als krebserregend ein.