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Unsere gemeinsamen Werte bilden die Grundlage der Europäischen Union. Diese gilt es zu verteidigen.
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2017 fanden in mehreren EU-Ländern Wahlen statt, die alle eine Konstante aufweisen: eine deutliche Zunahme populistischer Parteien, sowohl im rechten als auch im linken Spektrum. Diese Parteien befürworten die Ablehnung des Anderen, den Rückzug auf den Nationalstaat und das Ende des europäischen Projekts. In manchen Fällen reichte allein der Gedanke aus, um eine Teilhabe dieser Strömungen an der Macht zu verhindern, in anderen Fällen ist das noch ungewiss - jedoch wären wir schlecht beraten, diese Kräfte zu unterschätzen. Im Gegenteil, wir werden weiterhin wachsam sein müssen, damit die fundamentale Werte unserer Demokratien, auf denen die EU aufgebaut wurde, nicht in Frage gestellt werden.
Diese Werte begründen nicht nur unser Engagement, Mitglied der Europäischen Union zu sein, sie bilden auch den Zusammenhalt der Union, auf die sich die europäische Solidarität, unsere Glaubwürdigkeit nach außen und unsere gemeinsame Zukunft stützen. Es handelt sich dabei nicht um eine polnische oder ungarische Angelegenheit. Auch in Belgien und allen europäischen Ländern sind die Risiken existent. Ich denke dabei an die Migrationskrise oder die terroristischen Anschläge, die ein solches Gefühl der Unsicherheit ausgelöst haben, dass überlegt wird, Maßnahmen zu beschließen, die unseren Errungenschaften der Demokratie und des Rechtsstaates schaden könnten.
Gemeinsame Migrationspolitik und wirklich soziales Europa
Mehr denn je müssen wir bereit sein, bei den grundlegenden Themen unserer Gesellschaft innerhalb der Europäischen Union voranzuschreiten. Das betrifft Sicherheit und Verteidigung, aber auch eine gemeinsame Migrationspolitik nach dem Prinzip geteilter Verantwortung und Solidarität. Wir müssen die europäische Wirtschafts- und Währungsunion vertiefen, eine Bankenunion weiter ausrichten und die wirtschaftspolitische Steuerung stärken. Außerdem erwarten die Bürger von uns, dass wir ein wirklich soziales Europa schaffen.
In diesem ständig wechselnden Kontext plädiere ich seit zwei Jahren für eine Maßnahme zur Prüfung der Menschenrechtslage in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Bei den Beitrittskandidaten findet nicht nur eine gründliche Prüfung der wirtschaftlichen Lage statt, sondern auch die Einhaltung von Verwaltungs- und Rechtsstaatsprinzipien gemäß den Kopenhagener Kriterien wird beobachtet.
Jährliche Überprüfung aller EU-Mitgliedstaaten
Nach dem Beitritt unterliegt die Wirtschafts- und Haushaltslage der Mitgliedstaaten immer noch der regelmäßigen und genauen Kontrolle der EU-Kommission, aber die Einhaltung der demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung sowie die Wahrung der Menschenrechte und der Schutz der Minderheiten stehen nicht mehr auf der Tagesordnung. Ich freue mich darüber, dass die Kommission in ihrer neuen Balkan-Strategie, die am 6. Februar veröffentlicht wurde, diesem Thema ihre Aufmerksamkeit widmet.
Aus den genannten Gründen scheint es mir unentbehrlich, jedes Jahr die Lage der Menschenrechte und des Rechtsstaates innerhalb der EU mithilfe eines "Peer Review" zu analysieren. Diese regelmäßige Überprüfung würde es uns ermöglichen, Anzeichen eines Abdriftens frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig korrigierende Maßnahmen vorzuschlagen. Jeder Mitgliedstaat könnte Fragen stellen und Empfehlungen abgeben. Die konkreten Modalitäten dieses Mechanismus müssten noch definiert werden, aber einige Prinzipien könnten jetzt schon hervorgehoben werden: ein politischer Mechanismus, bei dem alle Mitgliedstaaten gleichwertig sind.
Dieser neue Mechanismus würde verhindern, dass gewartet wird, bis die Situation sich so verschlechtert hat, dass der allbekannte Artikel 7 der EU-Verträge - der neulich aufgrund von Entwicklungen in manchen Mitgliedstaaten im Fokus des Interesses stand - aktiviert werden muss. Momentan kann die Umsetzung dieses Artikels zur Suspendierung eines Mitgliedstaates führen, wenn ein Verstoß gegen den Rechtsstaat festgestellt wird. Der Aktivierungsprozess ist jedoch sehr aufwendig.
Die Einführung eines solchen Mechanismus ist nicht nur notwendig, um unseren Willen zur europäischen Identität erneut zu bekräftigen, sondern auch um unsere Glaubwürdigkeit und Rechtmäßigkeit auf dem internationalen Parkett für die Rolle der Europäischen Union als sehr aktive Förderer und Verteidiger der Menschenrechte zu stärken.
Dialog über die Grundrechte innerhalb der EU
Die politischen Entwicklungen in den Mitgliedstaaten haben den Beweis erbracht, dass wir mehr denn je unser gemeinsames Bekenntnis zu den universellen Werten des Rechtsstaates und zur Wahrung der Menschenrechte hervorheben müssen. Die Einführung eines Dialogs über diese Grundrechte innerhalb der Europäischen Union würde uns dies nicht nur ermöglichen, sondern auch unsere internationale Glaubwürdigkeit stärken.
Diese Initiative hat bereits die Unterstützung der Hälfte der EU-Mitgliedstaaten sowie des EU-Parlaments. Ich freue mich, dass die Kommission heuer ebenfalls eine Initiative zum Thema Rechtsstaat angekündigt hat. Seinerseits wird Belgien sich weiterhin bemühen, noch mehr Mitgliedstaaten zu überzeugen und die Dynamik beizubehalten, die durch die Einführung dieses Vorschlags entstanden ist. Dieses Anliegen kann zudem auf mein persönliches Engagement zählen.