Athen ist die Heimat einer in Europa beispiellosen Parkplatz-App.
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Athen.Schokoladentorten, Apfelkuchen mit Streusel und Eis. In der 1915 gegründeten Konditorei Asymakopoulos in der zentralen Athener Charilaou-Trikoupi-Straß kämen Naschkatzen auf ihre Kosten. Dimitris Asymakopoulos (60) leitet den Familienbetrieb in zweiter Generation. Der grauhaarige Herr steht in seinem Laden und nickt: Ja, im krisengebeutelten Griechenland leide sein Geschäft an rapide sinkender Nachfrage. "Im Vergleich zu 2009 habe ich im laufenden Jahr mit einem Umsatzrückgang um 36 Prozent zu kämpfen. Mein Gewinn ist um 60 Prozent eingebrochen."
Angesichts so maroder Geschäftszahlen greifen die Mechanismen der Marktwirtschaft: Die Konditorei musste in den letzten drei Jahren fünf Angestellte entlassen. Sie hat noch zwanzig Beschäftigte. Asymakopoulos, zugleich Präsident des Verbandes der Gewerbebetriebe (GSEVEE), sieht die Zukunft zappenduster. "Kein Unternehmer holt auch nur einen Euro für Investitionen aus der Tasche, wenn er nur 1000 Euro Rücklagen hat und Löhne, Gehälter, Steuern und Abgaben zahlen muss." Die Rechnung sei ganz einfach: "Wer mehr bezahlt, als er einnimmt, hat keine Zukunft." Der Konditorei-Besitzer hat zwar ein Geschäft, aber kein Einkommen. Seit vier Monaten verzichtet er auf sein eigenes Gehalt. "Um nicht noch weitere Beschäftigte zu entlassen", wie er sagt.
"Es gibt im Einzelhandel keine Liquidität, keine Kredite, keinen Konsum", beschreibt Vassilis Korkidis, Präsident der Griechischen Händlervereinigung (ESEE), die Lage. Laut ESEE-Studie sind in Griechenland seit Anfang 2011 insgesamt 68.000 Groß- und Einzelhandelsfirmen geschlossen worden, wodurch 135.000 Menschen ihre Arbeit verloren. Von den verbliebenen 278.000 Handelsfirmen sind 63.000 im roten Bereich. Falls sich die Lage nicht radikal verbessert, werden die meisten bis zum Jahresende das Handtuch werfen.
Spitzen-Olivenöl vom Peloponnes ist gefragt
Das Zehn-Millionen-Einwohner- Land steckt im fünften Jahr in Folge in der Rezession. Bis Jahresende wird Griechenlands Wirtschaftsleistung um ein Fünftel geschrumpft sein. Alleine 2012 wird die Ökonomie um sieben Prozent einbrechen. Besonders betroffen sind Handel und Produktion.
Doch es gibt ermutigende Lichtblicke. Alexandros Spiliadis (33) studierte und arbeitete zehn Jahre fernab der Heimat, erst in Leipzig, dann in London. Vor fünf Jahren kehrte er zurück - aber nicht in seine Geburtsstadt Athen. "Ich wollte im Dorf meiner Großeltern leben, um mich der Produktion von Olivenöl zu widmen", sagt Spiliadis. Land brauchte er nicht kaufen: Im Ort Lechaina auf dem Peloponnes hatte er von den Großeltern eine Olivenplantage geerbt.
Spiliadis pflanzte auf dem weitläufigen Areal 40.000 neue Bäume und schuf den größten Olivenhain Griechenlands. Das Besondere: Im Gegensatz zu anderen Hainen ließ Spiliadis zwischen den Bäumen großen Abstand. So haben die Wurzeln Platz, sich auszubreiten. Hinzu kommen der Seewind und die Qualität der Erde. Sie machen das Spiliadis-Produkt "Eleia" zu einem Olivenöl von herausragender, international prämierter Qualität.
Ein schönes (ebenfalls prämiertes) Detail: Der 1-Liter-Kanister und die 0,5-Liter-Flasche sind mit einem weißen Streifen verziert, der die in Griechenland verbreitete Tradition geweißelter Olivenbaumstämme zur Abschreckung von Schädlingen stilisiert. 80 Tonnen kaltgepresstes "Eleia" produziert Spiliadis bereits pro Jahr. Davon gehen 80 Prozent in den Export. Ob Feinkost-Läden oder Duty-Free-Shops: Abnehmer für sein Spitzen-Olivenöl hat Spiliadis schon in den USA, Deutschland, Dubai, Katar, Korea, Japan und Australien gefunden. Die Krise habe sein Geschäft nicht berührt.
Nanotechnologie für den Ferienpalast des Emirs
Stark exportorientiert ist auch die Firma Nanophos. Co-Gründer Jannis Arabatzis ist erst 35 - und extrem erfolgreich. Er studierte im nordwestgriechischen Ioannina Chemie. Seine Doktorarbeit an der Athener Metsovo-Universität beschäftigte sich damit, wie man mit Licht Oberflächen von Bakterien befreit. Dann ging Arabatzis für ein Aufbaustudium in Management an eine Athener Privatuniversität - und lernte dort seinen damaligen Lehrer und jetzigen Geschäftspartner Vassilis Theocharakis kennen. Die beiden Griechen gründeten 2005 mit eigenem Geld die Firma Nanophos. Das Aktienkapital: 75.000 Euro.
Seither forscht und produziert das Unternehmen innovative Nanotechnologie-Produkte, die Baumaterialien aller Art reinigen sowie Wärmedämmung und Schutz vor Feuchtigkeit bieten. Unternehmenssitz ist der Technologiepark im Hafenort Lavrion - das Mini-Silicon-Valley von Griechenland. Der Lavrion-Technologiepark rund 45 Kilometer östlich von Athen geht auf eine Initiative der Metsovo-Universität zurück. Speziell Technologieunternehmen können auf dem alten Industriegelände renovierte Gebäude mieten.
Im hochmodernen Firmenlabor präsentiert Arabatzis dem Besucher seine Produkte - sichtlich stolz: "Ich war schon immer überzeugt, dass wir innovative Produkte in Griechenland herstellen können, die die Absatzmärkte weltweit erobern. Unser Ziel war es von Anfang an, exportorientiert zu sein." Das zahlt sich jetzt aus. Die Nanophos-Umsätze steigen rapide. "Unser Exportanteil wird in diesem Jahr bei 85 Prozent liegen", sagt Arabatzis. Mittlerweile zählt der Betrieb 15 Mitarbeiter.
Er sei viel im Ausland unterwegs, um für seine Produkte zu werben, sagt der Jungunternehmer. Ob Zypern, Spanien oder bald Deutschland - sogar im fernen Indien, Japan und in China sind Nanophos-Produkte gefragt. Auch in Katar. Der Emir hat für seinen Ferienpalast Nanophos-Produkte bestellt - zur Selbstreinigung der Gebäudeoberflächen mittels Licht.
App aus Athen spart Ärger bei der Parkplatzsuche
Ein Start-up der besonderen Art ist Parking Defenders. Vier Programmierer zwischen 26 und 30 Jahren hatten erst kürzlich eine Idee, wie das chronische Parkplatzproblem der Vier-Millionen-Metropole Athen zu lösen ist. Die vier Griechen entwickelten ein innovatives App für Smartphones, Tablets und Computer. Die App-Nutzer können anderen Nutzern mitteilen, wann sie einen Parkplatz verlassen werden. So spart man Zeit, Kosten und Ärger bei der Parkplatzsuche. Einprägsames Motto für das solidarische Handeln: "Alle für einen Parkplatz, ein Parkplatz für alle".
Ferner kooperiert Parking Defenders mit Parkhäusern. Die App-Nutzer sind stets über freie Plätze, Preise und sonstige Services wie Autowäsche informiert. "Wir arbeiten bereits mit sieben Parkhäusern in Athen zusammen, die über 3000 Parkplätze verfügen", erzählt Katerina Demertzi (30) von den Parking Defenders. Für die Parkplatzsuchenden ist die Nutzung des Apps völlig kostenlos. Noch ein Pluspunkt: Parking Defenders bietet Rabatte für Parkplätze in Parkhäusern an.
So wundert es nicht, dass die Nutzerzahl rasant wächst. Das Griechen-Quartett will bald auch anderswo Aktivitäten entfalten. "In Europa haben wir keine Konkurrenz. Warum also nicht ins Ausland expandieren?", strahlt Demertzi. Eine pulsierende Großstadt haben die Griechen auch schon im Visier: Berlin.