LibDems verlieren bei Atompolitik. | Tories lenken ein bei Wahlrecht. | London/Wien. Die Regierung in Großbritannien steht, der Koalitionsvertrag zwischen Konservativen und Liberaldemokraten, ist unter Dach und Fach. Der Bündnisschluss ging schnell, unkompliziert und pragmatisch vonstatten, sorgte allerdings gleich für einiges Aufsehen.
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In Sachen Europapolitik haben sich die Konservativen durchgesetzt. Außenminister ist künftig William Hague, ein Tory, der als Europakritiker bekannt ist. Staatssekretär wird mit David Lidington ebenfalls ein Konservativer, der wohl dazu angehalten sein wird, der vorgegebenen Anti-EU-Linie seiner Partei zu folgen. Eine positive Europapolitik war eines der größten Anliegen der Liberaldemokraten. Ihre Visionen, die bis hin zur Einführung des Euro auf der Insel reichten, werden sie nun hintan stellen müssen.
Auch bei der Nuklear-Politik, dem zweiten großen Konfliktpunkt zwischen den Koalitionspartnern, haben sich die Tories durchgesetzt. Das, obwohl die als Atomgegner deklarierten Liberaldemokraten mit Chris Huhne den Minister für Energie und Klimawandel stellen. Der hatte die Atomenergie vor kurzem noch als gescheiterte Technologie bezeichnet. Nun hat er grünes Licht für den Bau einer neuen Generation von Atomkraftwerken gegeben. Auf die 180-Grad-Wende angesprochen, erklärte Huhne: "Diese Koalition hat immer Kompromisse auf beiden Seiten bedingt. Es wurde eine ganze Reihe von Kompromissen ausgehandelt, die für beide Parteien unangenehm sind."
Zumindest verbale Unterstützung erhielt Huhne von Premierminister David Cameron. Der erklärte, aus der Koalition "die grünste Regierung aller Zeiten" machen zu wollen. Um den Liberaldemokraten Gelegenheit zu geben, ihr Gesicht zu wahren, erlaubt ihnen der Koalitionsvertrag, sich bei Abstimmungen zu diesem Thema (und anderen Themen) der Stimme zu enthalten. Die Konservativen sind dann im Parlament immer noch stark genug, um ihre Anliegen alleine durchzubringen.
Referendum überWahlrechtsreform
Doch auch die Liberaldemokraten haben Erfolge zu verbuchen. Obwohl David Cameron sie im Wahlkampf opponierte, gab es eine Einigung zum Thema Wahlrechtsreform. Die Regierung will eine entsprechende Gesetzesvorlage für eine Volksabstimmung ausarbeiten. Darin enthalten soll ein Konzept für die Einführung einer Zweitstimme bei den Parlamentswahlen sein. Das könnte LibDem künftig mehr Stimmen einbringen, da manche ihrer Anhänger aus Angst, dass es der liberale Kandidat nicht ins Parlament schafft, eine der beiden Großparteien wählen. Weiters vorgesehen für das Referendum: eine Reduzierung (und somit Vergrößerung) der Wahlbezirke. Die Koalitionspartner verpflichten sich, ihre Abgeordneten auf ein Referendum mit einfacher Mehrheit einzupeitschen (in Großbritannien herrscht kein Fraktionszwang). Allerdings steht es den Tories frei, im Wahlkampf gegen die Wahlrechtsreform zu werben.
Ebenfalls durchgesetzt hat sich LibDem bei der Festlegung von festen Amtszeiten. Konnte der Premierminister bisher nach Gutdünken innerhalb von fünf Jahren Neuwahlen ansetzen, so einigte man sich darauf, fixe Amtsperioden von fünf Jahren einzuführen. Das Datum für die nächste Parlamentswahl wurde mit dem ersten Donnerstag im Mai 2015 bereits vorgegeben.
Eine Klausel ermöglicht die Auflösung des Parlaments, wenn 55 Prozent der Abgeordneten dafür stimmen. Diese Zahl ist natürlich nicht zufällig gewählt. Die Konservativen verfügen über 47 Prozent der Abgeordneten und LibDem gemeinsam mit der Opposition über 53 Prozent. Die Vereinbarung soll also sicherstellen, des keiner der beiden Koalitionspartner aus taktischem Kalkül die Regierung stürzen kann.
Bereits am Donnerstag wurde das umfassende Programm zur Sanierung der britischen Wirtschaft bekannt. Binnen 50 Tagen soll ein Notbudget mit ersten Kürzungen von umgerechnet rund sieben Milliarden Euro in die Wege geleitet werden. Nicht zuletzt könnte die schnelle Regierungsbildung sichergestellt haben, dass das hochverschuldete Land nicht von einer Rating-Agentur in seiner guten Kreditwürdigkeit herabgestuft wird.