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Das Thema bewegt sie. Regina Haberfellner von "Unternehmer in Not" unterstreicht jedes einzelne Wort: "Das Thema Insolvenz ist ein Tabu. Niemand wagt offen darüber zu sprechen." Und das ist ein Fehler, denn auch im schlimmsten Fall könne man immer noch "darüber entscheiden, wie hart man aufschlägt".
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Im ersten Augenblick mag dieses Statement seltsam anmuten, ist doch in den Medien genug von Insolvenzen die Rede. Doch bezieht sich Regina Haberfellner auf die allgegenwärtige Klage, dass Unternehmen viel zu spät Hilfe suchen, wenn sie in Schwierigkeiten geraten. Wie soll das gehen, sagt sie, in einer Welt, in der das Scheitern eine persönliche Schande ist? Deswegen neigen die meisten Selbständigen dazu, so lange wie möglich den Schein aufrecht zu erhalten, wenn ihr Unternehmen in eine Krise geraten sind. Oft sogar vor sich selbst.
"Irrational reagiert"
Regina Haberfellner weiß, wovon sie spricht, hat sie doch im Jahr 2003 die Plattform "Unternehmer in Not" aufgebaut. Im Jahr davor war ein Bekannter mit einem Kleinbetrieb ins Schlittern geraten und sie hatte versucht, ihm zu helfen. Erfolgreich übrigens. Doch die Erfahrung mit den sich überschlagenden finanziellen und bald darauf auch sozialen Problem des Betroffenen hat sie nicht mehr losgelassen. "Er hat unter dem Druck irgendwann völlig irrational reagiert", sagt sie über diesen Bekannten. Heute weiß sie, dass es vielen so geht, deren Firmen unter Druck kommen.
Nach dieser Erfahrung begann die studierte Soziologin, die sich bis dahin wissenschaftlich vor allem mit Problemen von selbständig erwerbstätigen Einwanderern befasst hatte, Insolvenzen methodisch zu studieren. In einer Zeit, in der das "Start-Up"-Fieber der 90er Jahre bereits ein wenig abgeklungen war, führte sie ausführliche Interviews, recherchierte rechtliche Hintergründe und stellte Literaturlisten zusammen. Das Ergebnis ist die Internet-Plattform "Unternehmer in Not".
Bemerkenswert ist die Plattform vor allem deswegen, weil Betroffene zu Wort kommen. Da schildert zum Beispiel der Geschäftsführer eines kleinen Handelsbetriebs in aller Offenheit den Untergang seiner Firma, die Fehler, die dazu geführt haben, den Kampf ums Überleben und den allmählichen Übergang zur nackten Verzweiflung. "Wirtschaftliche Krisen bestehen ja nicht aus Buchhaltungsdaten", sagt Regina Haberfellner.
Optionen im Notfall
Nicht alle Beispiele, die auf der Website zusammengetragen wurden, enden in der Katastrophe. Darauf legt die Betreiberin wert. Auch wenn ein Betrieb in Schwierigkeiten gerät, gebe es meistens mehr Optionen, als die Betroffenen im ersten Augenblick wahr haben können. Und auch im schlimmsten Fall könne man immer noch "darüber entscheiden, wie hart man aufschlägt".
Deswegen will sie auf ihrer Plattform Erfahrungen sammeln und ein besseres Verständnis für die Risiken wecken, die mit der Gründung eines Unternehmens verbunden sind. Viele Einsteiger wüssten nicht Bescheid, was sie nach der Eröffnung der eigenen Firma erwarte, zu groß ist oft die Kluft zwischen Theorie und Praxis.
Inzwischen ist man auf "Unternehmer in Not" aufmerksam geworden. Nach einschlägigen Arbeiten für die Wirtschaftskammer, für das Gründerservice oder für die Wirtschaftsuniversität wurde die Soziologin von der Generaldirektion Unternehmen und Industrie der Europäischen Union engagiert. Dort plant man eine Kampagne, die mehr Verständnis für unternehmerisches Risiko wecken soll. Dafür engagiert sich Regina Haberfellner. In unseren Breiten sei die "Fehlertoleranz" zu wenig ausgeprägt, es gebe keine "Kultur der zweiten Chance". Deswegen sollten Insolvenzen und das Scheitern im Allgemeinen nicht länger ein Tabu sein, über das die Betroffenen mit betretenem Schweigen hinweggehen.
LinksUnternehmer in NotDossier: Insolvenzen