Die zähen Verhandlungen blieben erfolglos: Die Wiener Produktionsstätte von Grundig-Geräten wird nun endgültig geschlossen. 814 Mitarbeiter verlieren damit ihren Job. Die Vertriebstochter bleibt vorläufig mit 92 Beschäftigten erhalten. Dies wurde am Montagabend in der Ausschusssitzung der Gläubiger beschlossen. Die Stadt Wien wird für 400 Wiener Mitarbeiter eine Insolvenzstiftung einrichten.
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Anerkennende Worte findet Wiens Finanzstadtrat Sepp Rieder für den Wiener Vorstand, den Betriebsrat und den Masseverwalter. Sie hätten mit enormem Einsatz um das Überleben des Meidlinger Traditionsbetriebes gekämpft. "Ich muss jedoch respektieren, dass die Gläubiger aus wirtschaftlichen Überlegungen die Produktion endgültig schließen."
Scharfe Kritik gibt es unterdessen für die Konzern-Führung in Deutschland. "Von ihr kamen nicht mehr als Lippenbekenntnisse. Sie hat bei den Arbeitern das Gefühl der Kaltschnäuzigkeit hinterlassen. Von Unterstützung war nichts zu spüren," sagte Rieder gestern vor Journalisten. Die Belegschaftsvertretung attackiert ebenfalls die Konzernzentrale: Die öffentliche Hand müsse einspringen, wenn private Unternehmen versagen. Leidtragende seien die Betroffenen und die Steuerzahler.
Rieder versicherte, dass kein Grundig-Mitarbeiter vor dem Nichts stehe. Für ca. 600 Wiener, die vorzeitig aus dem Unternehmen austreten, richtet die Stadt eine Insolvenzarbeitsstiftung ein. Rieder geht davon aus, dass rund 400 Mitarbeiter das Angebot annehmen werden. Der Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds (WAFF) stellt dafür 2,8 Mill. Euro zur Verfügung, ein Stiftungsplatz kostet 7.000 Euro. Die Vorteile für die Arbeitssuchenden sind evident: Sie bekommen über maximal drei Jahre ein erhöhtes Arbeitslosengeld und ein Stipendium.
Für die 202 niederösterreichischen und 23 burgenländischen Mitarbeiter soll es ähnliche Lösungen geben. Rieder ist besorgt, denn mit der Schließung des Grundig-Werks geht die einzige Spezialausbildung in Audio- und Video-Elektronik verloren. Für die 23 Lehrlinge wird vorgesorgt, sie sollen bei Philips, Siemens, Kapsch oder Sony neue Lehrplätze finden. Ein eigener Lehrlingsausbildner des WAFF betreut die Jugendlichen. Um das Geld für diese Maßnahme aufzubringen, seien die WAFF-Richtlinien geändert worden.
Der Wirtschaftsstandort Wien befindet sich im Umbruch: Inzersdorf wandert ab, Anker-Brot ist gefährdet. Rieder: "Es gibt einen rasanten Wechsel, die Produktionsstätten des alten Musters gehen verloren." Durch neue Betriebe bliebe zwar die Wertschöpfung in der Region erhalten, doch den von Schließungen Betroffenen werde damit nicht geholfen. Die Gefahr sozialer Spannungen sei groß.