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Institutionalisiertes Misstrauen

Von Walter Hämmerle

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Der Causa Scheuch verdanken wir die bemerkenswerte Erkenntnis, dass in Österreich mitunter nicht einmal eine Mehrheit im Parlament klare Konsequenzen ziehen kann.


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Es ist wie fast immer im Leben: Ihre Geschichte ist lang und Ehrfurcht gebietend, die Realität jedoch ernüchternd und trostlos.

Die Rede ist von den Landtagen in Österreich, die als parlamentarische Versammlungen eigentlich das höchste Gremium darstellen, mitunter jedoch herzlich wenig zu sagen haben. Die Causa um den in erster Instanz zu 18 Monaten Haft, davon 6 Monate unbedingt, verurteilten Kärntner Landeshauptmann-Stellvertreter und FPK-Obmann Uwe Scheuch macht deutlich, dass selbst eine parlamentarische Mehrheit im Grunde nichts bewegen kann.

Am Beispiel der Causa Scheuch lässt sich dies folgendermaßen darstellen:

SPÖ, ÖVP und Grüne haben mit 18 Mandaten die absolute Mehrheit im Landtag, die FPK kommt dagegen nur auf 17 Abgeordnete. Für eine Abwahl bedarf es jedoch einer Zweidrittel-Mehrheit. Nicht einmal Landeshauptmann Gerhard Dörfler (ebenfalls FPK) könnte, wenn er denn wollte, seinem Landesrat, Stellvertreter und Parteichef das Regierungsamt entziehen.

Den Scheuch-Kritikern bleiben also nur - gemessen an ihrer ultimativen Wirksamkeit - recht stumpfe Waffen im parlamentarischen Ringen mit der relativen Mehrheitspartei FPK, wie Robert Weiß, der Landtagsdirektor in Kärnten, erläutert:

Das gelindeste Mittel ist, Uwe Scheuch per Interpellationsrecht im Landtag zur Rede zu stellen. Er wäre dann per Landesverfassung zum persönlichen Erscheinen verpflichtet; ein polizeiliches Vorführungsrecht, wie es etwa in U-Ausschüssen existiert, besitzt der Landtag jedoch nicht.

Etwas höher auf der politischen Eskalationsstufe ist die Einberufung einer Sondersitzung des Landtags angesiedelt. Dazu bedarf es mindestens 8 der 36 Abgeordneten. Die SPÖ alleine oder ÖVP und Grüne gemeinsam könnten eine solche problemlos beantragen.

Die schärfste Waffe von Rot-Schwarz-Grün wäre der Beschluss eines Untersuchungsausschusses; auch hierfür ist bereits die einfache Mehrheit im Landtag ausreichend. Der Untersuchungsgegenstand muss sich allerdings auf eine Materie der Landeszuständigkeit beziehen, in der Causa Scheuch wäre es also eine Frage der Antragsformulierung. Mit Bezugnahme auf das Parteienförderungsgesetz, das Landessache ist, sollte dies zum Beispiel durchaus möglich sein - bekanntlich spielte die Forderung nach einer Parteispende eine wesentliche Rolle bei der Verurteilung des FPK-Obmanns. Im Zweifel kann der Landtagspräsident ein juristisches Gutachten über die Zulässigkeit eines U-Ausschusses in Auftrag geben.

Zu guter Letzt können SPÖ, ÖVP und Grüne noch eine Prüfung der Causa durch die Rechnungshöfe in Land und Bund beantragen; auch hierfür reicht die einfache Mehrheit.

Bleibt die grundsätzliche Frage, wie es überhaupt so weit kommen kann, dass eine Mehrheit der Abgeordneten eines Parlaments zwar einiges tun, aber nichts politisch Relevantes entscheiden kann.

Der Verfassungsrechtler und Föderalismus-Experte Peter Bußjäger erklärt dies mit der Verfassungsautonomie der Länder, solange sie nicht den Prinzipien der Bundesverfassung widersprechen. In Sachen Privilegien für die relative Mehrheitspartei sei Kärnten jedoch "singulär". Bußjäger spricht von einem "institutionalisierten Misstrauen", das im Falle Kärntens in den fehlenden Rechten des Landtags zutage trete.

Allerdings sei nicht alles schlecht: In Salzburg, Tirol und dem Burgenland sind U-Ausschüsse ein Minderheitenrecht. Etwas, was der Bund bis heute nicht zustande gebracht hat.