)
Tschetschenischer Terroristenchef Umarow soll hinter Komplott stehen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Moskau. Morgens um 9 ist die Welt nicht mehr in Ordnung. Mit einer ernsten Miene verkündet der Nachrichtensprecher: "Russischen und ukrainischen Geheimdiensten ist es gelungen, einen Anschlag auf Wladimir Putin zu vereiteln, geplant von Terroristen." Es ist eine Nachricht, die in den angespannten russischen Wahlkampf platzt - und von Putin-Gegnern und Bloggern prompt ins Lächerliche gezogen wird.
Russische Staatsnachrichten sind manchmal besser als jede absurde Theateraufführung. Der Anfang läuft immer gleich ab. Der Premier besucht eine Konservenfabrik, wahlweise auch ein Motorenwerk oder ein Kinderkrankenhaus, schüttelt Hände, hört sich aufmerksam an, was denn nicht gut laufe. Dann erhebt er die Stimme und sagt, dieses und jenes müsse erledigt werden. Umgehend. Hin und wieder droht er auch mit dem Zeigefinger. Manchmal sitzt der Premier aber auch in seinem Dienstzimmer, vor sich auf dem Stuhl ein Minister, ein Bürgermeister, ein Gouverneur, mit einem Referat zu einem bestimmten Thema. Putin hört zu, gibt Anweisungen. Mit fester Stimme. Die Minister, Bürgermeister, Gouverneure wirken teils wie kleine Jungen, die beim Spielen etwas verbrochen haben. Auch hier weiß der Premier sofort etwas zu tun. Dieses oder jenes müsse erledigt werden. Umgehend, versteht sich. Ab und an macht er einen Witz. Es lacht nur niemand.
Gestern begannen die Nachrichten mit Bildern von vermummten Männern, die eine Wohnung in Odessa stürmen. In der Ukraine soll der Anschlag vorbereitet worden sein - von "Banditen, die im Auftrag des tschetschenischen Terroristenführers Doku Umarow aus den Arabischen Emiraten über die Türkei" ans Schwarze Meer gekommen seien.
Der Putin-Sprecher Dmitri Peskow bestätigte die Informationen, kommentieren wollte er sie jedoch nicht. Am kommenden Sonntag will der 59-jährige Premier zum Präsidenten des Landes gewählt werden und für die kommenden sechs Jahre zum dritten Mal in den Kreml einziehen. Der durchkreuzte Anschlag nährt Spekulationen nach Propaganda. Putins Wahlkämpfer bekommen so genügend Munition, das Profil von Russlands starkem Mann noch mehr als Garant der Sicherheit zu schärfen.
Festnahmen am 6. Jänner
Der angebliche Schlag gegen die drei Männer soll bereits am 6. Januar erfolgt sein. Die Verdächtigen hätten gestanden, den Anschlag nach den Wahlen geplant zu haben. Der "Erste Kanal", ein vom Kreml gelenkter Sender, zeigte als Bestätigung zwei Männer, der eine stotternd, der andere mit Verletzungen im Gesicht, notdürftig mit Brillantgrün übermalt, die "alles zugeben".
Die Enthüllung des Staatssenders wirkt inszeniert - und wirft mehr Fragen auf, als sie Antworten liefert. Wieso wird die Nachricht erst jetzt lanciert? Warum agiert der Kanal als Ermittlungsbehörde? Wieso tritt in den Berichten kein Vertreter der Justiz auf? Es gibt keine offizielle Stellungnahme, keine Pressekonferenz, lediglich die Vorführung der "geständigen Terroristen".
"Attentate" auf Putin haben die Sicherheitsbehörden bereits 2000 und 2004 "vereitelt". Ebenfalls kurz vor den Präsidentschaftswahlen. Drahtzieher waren damals weder angeklagt noch verurteilt worden. Russland Justiz informiert nicht einmal darüber, ob sie jemals ausfindig gemacht worden sind.