Viele halten den neuen Staatssekretär für zu unerfahren. | Neue Österreicher fühlen sich oft nicht ernst genommen. | Wien. Immerhin, einige Praktika kann Sebastian Kurz vorweisen. Ansonsten nimmt sich der Lebenslauf des 24-Jährigen, den Michael Spindelegger zum Integrationsstaatssekretär machen will, dünn aus. Kurz hat in Meidling mit Auszeichnung maturiert, seit 2005 studiert er Jus. Eine fertige Ausbildung oder Berufserfahrung hat er nicht. | Analyse: 'Geile' Integrationspolitik - Was will uns die ÖVP damit sagen? | Kurz löst bei Experten Skepsis aus
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Und auch politisch war Kurz bis vor kurzem wohl kaum jemandem ein Begriff. 2002 begann er bei der Jungen ÖVP (JVP) Wien, 2008 wurde er deren Obmann, ein Jahr später Bundesobmann. Für die Wien-Wahl 2010 kandidierte Kurz an dritter Stelle auf der Landesliste, seither sitzt er im Gemeinderat, wenn auch nicht im Integrationsausschuss. Sein Schwerpunkt war bisher ohnehin eher die - gewöhnungsbedürftige - Jugendpolitik.
Beim Wiener Wahlkampf warb Kurz mit dem Geil-O-Mobil (einem schwarzen Hummer) bei der Jugend um Stimmen, denn "Schwarz macht geile Politik, Schwarz macht Wien geil und Schwarz macht geile Parties", sagte er stolz. Weniger "geil" fand er, dass in Moscheen oft nicht auf Deutsch gepredigt wird - aber immerhin hat sich Kurz schon kurz mit dem Thema auseinandergesetzt.
Es fehlt an Erfahrung
So nimmt es kaum wunder, dass er jetzt von allen Seiten mit Skepsis beäugt wird, auch von den Migranten. Dass er sich bisher kaum mit Integration befasst hat, gilt vielen als Zeichen dafür, dass der Politik das Thema nicht wichtig ist. Enttäuscht zeigt sich Ergün Sert, Herausgeber der türkischen Monatszeitung "Yeni Nesil" ("Neue Generation"): "Gerade ein so wichtiges Thema braucht jemanden, der professionell ist." Einige Austro-Türken hätten den Eindruck: "Wir werden nicht ernst genommen."
Ähnlich erklärt Hikmet Kayahan von "Das Bündnis", einem Zusammenschluss gegen Rassismus: "Expertise und Qualifikation sind für das Integrationsthema nötig, doch die gehen aus der bisherigen Arbeit von Kurz nicht hervor." Ohne fachliche Kompetenz könne man die Aufgabe nicht meistern. Dafür sei das Thema "zu ernst, zu wichtig und zu komplex", meint Kayahan, der auch eine Facebook-Gruppe gegen die ÖVP-Personalentscheidung gegründet hat, der sich Mittwochnachmittag schon rund 9000 Menschen angeschlossen haben.
Dass Kurz etwas bewirken kann, bezweifelt Kayahan: "Das Integrationsstaatssekretariat hat kein eigenes Budget und keinen Apparat, das Innenministerium hat die Hand auf ihm." Besonders heftige Kritik kommt von Darko Miloradovic, stellvertretender Obmann des serbischen Dachverbands Wien: "Glaubt irgendwer, dass sich Kurz gegen die Innenministerin durchsetzen wird?" Scharfe Geschütze fährt er gegen die ÖVP auf. "Das ist das politisch heikelste Thema des Jahrzehnts, das einzige, in dem die Rechten wirklich punkten können. Die Entscheidung zeigt: Der ÖVP liegt nichts an dem Thema."
Seit 2000 habe die ÖVP mit dem Innenministerium die Oberhand über das Integrationsthema und "seither wird alles nur noch schlechter." Die Politik müsse sich endlich den eigentlichen Problemen stellen, und das seien die "sozialen Spannungen". Denn: "Beim Integrationsthema geht es eigentlich nur um soziale Probleme. Wer Geld hat, fällt ohnehin nicht auf."
Mutiger Schritt
Die scharfe Kritik an Kurz löst auch Verwunderung aus. "Ich frage mich, warum die oft genannten fachlichen Qualifikationen nur bei jungen Menschen gesucht werden", sagt Tugba Seker, Vorsitzende der Muslimischen Jugend Österreich (MJÖ). Die Gründung eines Integrationsstaatssekretariats sei ein "historischer und mutiger Schritt, den die ÖVP geht", und Sebastian Kurz "ein junger, engagierter Mensch", der die MJÖ "regelmäßig zum Austausch einlädt" und als "offener, interessierter und ehrlicher Gesprächspartner" geschätzt werde.
Vom Wir-Ihr zum Wir
Was könnte Kurz bewirken? Engagierte Diversitätspolitik müsse eine neue Sprache finden, die auf Abgrenzung verzichtet, meint Tülay Tuncel, ehemalige Bundesintegrationssprecherin der Jungen Generation in der SPÖ. "Ziel muss eine gemeinsame Identität für Österreicher mit und ohne Migrationshintergrund sein, die alle teilen. Wir müssen von der Wir-Ihr-Politik zu einer gemeinsamen Wir-Politik finden." Gerade in der Sicherheitspolitik gehe es aber nur um Abgrenzung.